Freitag, 15. März 2024

Ken Fisher rät von Markt-Timing ab, denn "Time in the market beats timing the market"

Das Timing für den Einstieg in Aktien spielt in der Fachpresse und den Diskussionen eine große Rolle. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Wahrscheinlichkeit, eine steigende Aktie zu erwischen,  in einem steigenden Markt größer ist, als in einem fallenden. Getreu dem Börsenmotto "the trend is your friend". Diese Überlegungen sind geradezu verführerisch, denn sie klingen so schlüssig, so plausibel. Trotzdem erzielt die Mehrzahl der Anleger schlechtere Renditen als der Gesamtmarkt und auch die große Mehrheit der Fondsmanager schafft es nicht, besser abzuschneiden als der Durchschnitt. Die Theorie ist das eine, die praktische Umsetzung das andere. Oder wie Yogi Berra mal treffend formulierte: "In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis nicht".

Und weil so viele Anleger so schlechte Resultate erzielen, wird immer öfter zu passiven Anlageformen geraten, wie Indexfonds oder ETFs. Doch leider zeigt die Realität auch hier, dass die meisten Anleger selbst mit Indexfonds schlechter abschneiden als der Vergleichsindex. Was nicht verwundern kann, denn die Gründe liegen ziemlich klar auf der Hand...

Schon Benjamin Graham warnte, der größte Feind des Anlegers sei wohl er selbst. Und genau das ist Fakt: ob Anleger in Aktien von Einzelunternehmen investieren oder ob sie Indexfonds kaufen, sie begehen dabei die gleichen dummen Fehler: sie versuchen, den Markt zu timen, den günstigsten Ein- und höchsten Ausstiegspunkt zu treffen. Und damit verspielen sie die Vorteile des Buy & Hold und des passiven Geldanlegens über Indexfonds/ETFs. Es liegt nicht an der Anlageform, es liegt am Anlageverhalten!
»Manche Anleger verstehen unter einer langfristigen Investition, am Freitagabend Aktien zu kaufen und bis Montagmorgen durchzuhalten«

Kaufen und liegen lassen...

Mit dem Kauf einer Aktie erwirbt man nicht irgendein Stück Papier, sondern den Anteil an einem Unternehmen. Verliert das Geld an Wert, sind die Maschinen und Gebäude des Unternehmens noch da. Zur Zeit der Hyperinflation in den 1920er Jahren waren Aktien eine Versicherung gegen den Werteverzehr, denn der Unternehmenswert wurde am Ende neu berechnet in der neuen Währung und die Aktien stellten davon den gleichen Anteil dar wie zuvor.

...aber wann?

Es spricht also grundsätzlich Vieles für Aktien, aber ob man nun gerade jetzt Aktien kaufen sollte, ist eine andere Frage. Als Value-Investor sollte man ja ein solides Unternehmen mit guten Kennzahlen auswählen und die Aktie möglichst lange halten. Warren Buffett meint, man solle Aktien dann kaufen, wenn einen auch eine fünfjährige Schließung der Börse dann noch ruhig schlafen lassen würde.
»Die beste Zeit für die Geldanlage ist dann, wenn man Geld hat. Die Geschichte deutet nämlich darauf hin, dass nicht der Zeitpunkt zählt, sondern die Zeit.«
Für einen langfristig orientierten Anleger finden sich auch jetzt attraktive Einstiegschancen an der Börse. Reicht der Anlagehorizont aber nur einige Monate oder gar Wochen weit, ist das Risiko zum falschen Zeitpunkt einzusteigen, erheblich höher.
»Man benötigt kein perfektes Timing, um überragende Renditen zu erzielen. Zeit im Markt schlägt Timing des Marktes.« ("Time in the market beats timing the market")
Zum Thema Langfrist-Anlage hat übrigens der Fondsmanager Heiko Thieme während der High-Tech-Blase Ende der 1990er mal etwas sehr Bemerkenswertes gesagt: "Manche Anleger verstehen unter einer langfristigen Investition, am Freitagabend Aktien zu kaufen und bis Montagmorgen durchzuhalten". Das ist zwar sehr böse formuliert, aber leider ebenso zutreffend. Und zeigt auf, weshalb so wenige Leute mit der an sich einfachen Value-Strategie scheitern: Angst und fehlende Geduld. Und nach Benjamin Graham ist Geduld die oberste Tugend des Investors!
»Wenn die richtige Aktie gefunden ist, dann ist es nie zu früh und nie zu spät, sie zu kaufen.«
Die spannende Frage ist also nicht, ob man jetzt in Aktien investieren sollte, sondern, ob es einem gelingt, ein solides Unternehmen zu einem attraktiveren Preis zu finden. Oder wie Warren Buffett es ausdrücken würde: kann man irgendwo den Dollar für 50 Cents kaufen? Findet man eine solche Gelegenheit, dann ist immer der richtige Zeitpunkt, um in sie zu investieren!

Ob man dabei so vorgeht wie Benjamin Graham oder Seth Klarman und eher auf unterbewertete Buchwertschnäppchen aus ist, oder wie Warren Buffett und Charlie Munger, die auf Qualitätsunternehmen setzen, also Firmen mit tiefem Burggraben und hohen Cashflows, die dann auch gerne mehr kosten dürfen, das bleibt der Vorliebe des Anlegers überlassen. Wobei Charlie Munger hier keine wirkliche Alternative sah:
»Ich erkannte sofort, dass Ben Graham falsch lag. Das wahre Geld macht man mit den wirklich großartigen Unternehmen, die einen von Erfolg zu Erfolg führen.«
(Charlie Munger)
So baut man ganz einfach immer mehr Vermögen auf...


Meine Lese-Tipps
▶ "Börsen-Mythen enthüllt für Anleger" von Ken Fisher
▶ "Das zählt an der Börse: Investieren mit Wissen, das die anderen nicht haben" von Ken Fisher
▶ "Die Kunst der richtigen Aktienauswahl: Die Investmentphilosophie einer Börsenlegende" von Ken Fisher
▶ "Kasse statt Masse: Wie Sie mit einem konträren Investmentansatz Geld verdienen" von Ken Fisher


••• Überarbeite Fassung eines Artikels aus November 2011

9 Kommentare:

  1. Eine sehr lesenswerte Veröffentlichung, besten Dank dafür.

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  2. Zu den Versuchen des "Market Timing" auch ein paar Bemerkungen von meiner Seite. Ich bin inzwischen der Meinung, dass Aktienkurse in kurzufristiger Betrachtung indeterministisch sind, also sich vom Wesen her rein zufällig entwickeln. Damit ist es per se unmöglich, Kurse auf Tagesbasis (oder auch Wochen) irgendwie vorherzusagen. All diese Dinge wie Candle Charts, spezielle Tools usw. können also gar nichts bringen.
    In dem Moment, wo man anfängt, eine Aktie kurzfristig zu handeln, wird man für die Zeit, in der man nicht "im Markt" ist, abgestraft. Weil man statistisch gesehen immer mehr gute Gelegenheiten, in denen die Aktie steigt, verpassen wird.
    Beziehungsweise, weil man Ein- und Ausstiegszeitpunkte, vermeintliche "Bodenbildung" oder Maxima auf Dauer einfach falsch einschätzt.

    Ich kann nur jedem raten, der sich mit dem Gedanken an "Market Timing" trägt, das nicht mit echtem Geld, sondern erst mal als Planspiel zu betreiben, mal ein, zwei Monate... und dann am Ende Bilanz zu ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man schlechter als eine simple - und stressfreie - "buy-and-hold"-Strategie abschneidet, ist sehr sehr hoch.

    Vorhersagbar, oder sagen wir besser: halbwegs einschätzbar, werden Aktien erst über größere Zeiträume. Und da sind wir dann schon bei Dingen wie Quality Investing, Value Investing, Burggraben und so weiter.

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    1. Ich habe in meiner Jugend (so 1986/87 herum) ml am "Planspiel Börse" der Sparkassen teilgenommen. Das wäre ernüchternd. Einerseits eine interessante Erfahrung, sich mit dem Thema zu befassen, vor allem auch in der Gruppe zu diskutieren, aber letztlich war der Fokus auf die Laufzeit eines halben Jahres natürlich Blödsinn. Es ging nicht darum, die besten Aktien auszuwählen, sondern die, die am ehesten schnelle Kurststeigerungen versprachen. Schade eigentlich, denn dieser erste (falsche) Ansatz bleibt natürlich hängen. Börse als Zockerbude, nicht als Marktplatz für Unternehmensbeteiligungen.

      Es macht sich letztlich bezahlt, auf Unternehmen mit stetigem Wachstum zu setzen, diese möglichst günstig einzukaufen, und dann "einfach" an Bord zu bleiben, so lange das Wachstum und die ihm zugrunde liegende Qualität anhalten. Ist simpel, aber nicht (immer) einfach, wie Buffett süffisant anmerkte...

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    2. da sagst du was...
      Kennst du noch das 3Sat Börsenspiel? als es noch eine echte Börsensendung im Free TV gab..
      3 Banker konnten mit einer festgesetzten Anfangssumme Aktien kaufen und verkaufen und jede Woche wurde die Entwicklung beurteilt und ein Resume gezogen...

      back in the days... (sic!)

      VG aus Bayern

      Joe

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    3. Oh ja, die 3SAT Börse, Freitags um 22:00. "Mr. Dausend" Bernd Förtsch war gerne mit dabei; am Montag schossen die neu ins Musterdepot aufgenommenen Neuer Markt-Werte prozentual zwei- oder dreistellig in die Höhe. Ebenso verhielt es sich mit den Empfehlungen in der Euro am Sonntag - es ging fast nur noch darum, welche Aktien wohl am wahrscheinlichsten in den Depots und oder als Empfehlung im Blatt landen würden. Die wurden dann vorab am Freitag eingesammelt.

      Was 'ne Zeit... mit Investieren oder seriöser Geldanlage hatte das nichts zu tun, das was Zocken in Reinkultur.

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    4. Ein halbes Jahr Anlagezeitraum bei Aktien, das ist natürlich nichts... wenn ich mich recht entsinne, konnte es selbst bei Qualitätsaktien bis zu zwei Jahre dauern, bis die längste Zeit eines "Minus-Kurses" nach dem Kauf wieder dauerhaft überwunden war. Ich such mir solche Zahlen ganz gern mal raus, zur Orientierung...

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    5. "Börse als Zockerbude" - ich glaube, die allermeisten, die das versuchen, landen auf der Nase. Dafür sorgt dann schon die Natur der Sache - und die psychologischen Fallstricke, die hier und da beim Spiel an der Börse lauern...

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    6. Beim Blick auf einen Chart ist immer klar, wo man hätte einsteigen sollen. Daraus leiten viele dann Regeln ab: "Wenn die Aktie um 15% fällt, dann kaufe ich" oder "Beim nächsten Crash gehe ich all in". Leider kennt man die Entwicklung nicht im Voraus und deshalb läuft es dann trotzdem zumeist nicht so, wie man sich das mal gedacht hat. Weil es anders läuft oder weil man sich doch nicht so verhält, wie geplant. Also lieber gleich lassen und auf Qualitätswerte setzen, bei denen man dann durch alle Börsenphasen hinweg dabeibleiben kann, ohne ständig das Gefühl zu haben, man müsste jede Fünfprozentschwankung unbedingt zum Traden nutzen.

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    7. Ja. Solche "Regeln" können m.E. auch nicht funktionieren. Der kurzfristige Kurs ist nicht vorhersagbar - weder aus der Vergangenheit heraus, noch mit irgendwelchen Analysetools. Davon bin ich überzeugt. Und die "Herumtraderei" bringt einem dann nur Schaden. Gründlich auswählen - kaufen - liegenlassen - und die weitere Geschäftsentwicklung Im Auge behalten. Und wenn sich etwas Grundsätzliches dauerhaft zum Negativen hin ändert, muss man halt u.U. wieder raus.
      Selbst "einen guten Einstiegszeitpunkt wählen" ist eigentlich der Versuch des Market Timing, nur hintenrum... meine Erfahrung bisher hat mich gelehrt, dass buchstäblich von jedem Punkt weg so gut wie alles passieren kann: Kurs fällt und sieht so schnell diese Höhe nicht mehr, geht hoch und unterschreitet dieses Niveau nie wieder etcetera.
      Das Vernünftigste ist, denke ich, einfach kaufen. Ob man eher Glück oder eher Pech mit dem Kaufkurs hatte, sieht man erst hinterher.
      Aber ein paar Prozent hin oder her beim Kauf sind doch auch gar nicht entscheidend, oder? Wer investiert, der hofft auf eine langfristige jahrelange gute Entwicklung, und da geht es dann um zweistellige (oder mehr) Prozentbeträge.
      Glück oder Pech beim Kauf wirkt sich dann kaum noch aus (oder, Michael?)

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