Montag, 31. März 2025

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Steico: Energiewendegewinner mit Problemen - und Potenzial

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 7/2025 vom 25.03.2025

Aktien in dieser Ausgabe:  Steico, Wacker Neuson, Villeroy & Boch

STEICO: Energiewendegewinner mit Problemen - und Potenzial

Im Kampf gegen die globale Erderwärmung mischt STEICO mit seinen Produkten zur Wärmedämmung ganz vorne mit. Nachdem man jahrelang die steigende Nachfrage kaum bedienen und sich über steigende Margen und Gewinne freuen konnte, folgte ein brutaler Absturz in allen Bereichen. Den Hype und das Platzen der Blase überbordender Erwartungen kann man Kursverlauf genau ablesen: nach einer Verfünffachung steht der Kurs heute wieder auf dem Niveau von vor fünf Jahren – und steht vielleicht vor der erneuten Trendwende.

Ein hoher Anteil des globalen Energieverbrauchs geht auf die Beheizung von Wohngebäuden zurück und hier liegt auch ein entsprechend hohes Energiesparpotenzial, das bei Neubauten „en passant“ erschlossen wird. Noch größere Effekte erzielt man durch das Dämmen bei Bestandsbauten, denn Immobilien werden nicht selten länger als 50 Jahre genutzt.

Die STEICO SE ist ein führender Hersteller von ökologischen Bauprodukten mit Hauptsitz in Feldkirchen bei München, Deutschland. Seit ihrer Gründung im Jahr 1986 hat sich die STEICO SE auf die Entwicklung und Produktion von nachhaltigen Baustoffen spezialisiert und ist heute ein bedeutender Akteur im Bereich der ökologischen Dämmstoffe und Konstruktionselemente.

Man produziert und verkauft Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aus Holz. Die ökologischen und als nachhaltig zertifizierten Bauelemente des Unternehmens werden sowohl im Neubau als auch der Sanierung von Gebäuden verwendet. Die Elemente an Dach, Wand, Decke, Boden oder Fassade ergänzen sich zu einem integrierten Holzbausystem aus Dämmstoff und konstruktiven Bauelementen. Darüber hinaus betätigt sich Steico auch im Holzhandel, wo Unternehmen aus der Holzbau- und Baustoffhandelsbranche, der Fertighausindustrie sowie Architekten zum Kundenkreis zählen.

Das Geschäftsmodell von STEICO basiert auf der Herstellung und dem Vertrieb von ökologischen Bauprodukten und ist in vier verschiedene Geschäftssegmente unterteilt. Das Segment Holzfaser-Dämmstoffe umfasst die Produktion von Dämmstoffen aus natürlichen Holzfasern, die für ihre hervorragenden Dämmeigenschaften und Nachhaltigkeit geschätzt werden. Zu Konstruktionselemente zählen Produkte wie Stegträger und Furnierschichtholz, die im modernen Holzbau eingesetzt werden und durch ihre Stabilität und Umweltfreundlichkeit überzeugen. Im Bereich Hartfaserplatten produziert STEICO Hartfaserplatten, die als Bau- und Dämmmaterialien verwendet werden. Und abschließend fasst man unter Sonstige Produkte weitere ökologische Bauprodukte zusammen, die das Angebotsportfolio von STEICO ergänzen.

Dabei werden knapp zwei Drittel des Umsatzes mit Holzfaser-Dämmstoffen erzielt, der Rest verteilt sich auf Produkte wie Furnierschichtholz, Stegträger und Abdichtungssysteme.

Prognoseanhebung und -senkung

STEICOs Erfolg hängt vor allem vom Zustand der Baukonjunktur ab und dort gab es die letzten Jahre nicht viel zu lachen. Galoppierende Inflation, Lieferengpässe, Handwerkermangel und Konjunkturschwäche belasteten die Geschäfte und das noch immer schrumpfende Neubauvolumen sorgt für Überkapazitäten und zunehmenden Wettbewerbsdruck.

Das zeigt sich auch in STEICOs Geschäftszahlen. nachdem das 3. Quartal 2024 besser als erwartet abgeschnitten hatte, hob STEICO seine Jahresprognosen an. Nur, um einige Wochen später im Zuge der Zahlen für das 4. Quartal wieder zurückrudern zu müssen. Dieses Hin und Her erschüttert das Vertrauen in das Management. Allerdings darf man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Denn die Prognoseanhebung betraf das operative Geschäft. So war der kumulierte Konzernumsatz in den ersten neun Monaten um 3 % auf 291 Mio Euro gewachsen und der operative Gewinn (EBIT) sogar um über 86 %. Bereinigt um Währungssicherungsgeschäfte gelang immerhin noch eine überproportionale Ergebnissteigerung um gut 35 %. Daher erwartete das Management des Dämmstoffspezialisten erwartete deshalb für 2024 einen Umsatz von rund 375 Mio. Euro und damit rund 3 % mehr als zuvor. Zudem sollte das EBIT zwischen 53 und 55 Mio. Euro landen, nachdem man zuvor von 45 bis 50 Mio. Euro als Ziel ausging.

Die Prognosesenkung wiederum betraf das Anlagevermögen. Bei den Vorbereitungen für den Jahresabschluss wurde ein Werthaltigkeitstest durchgeführt und dabei festgestellt, „dass der Buchwert einzelner Gegenstände des Anlagevermögens den jeweils beizulegenden Wert übersteigt“. Dies betraf insbesondere Produktionsanlagen in Polen, die für das Kerngeschäft nicht mehr genutzt werden können, so dass auf Basis der Rechnungslegung nach HGB eine nicht liquiditätswirksame Sonderabschreibung von 15,2 Mio. Euro vorzunehmen war. Auf die Nettoverschuldung und die Umsatzerwartung des Unternehmens hatte dies keine Auswirkung, wohl aber auf das EBIT, so dass die Prognose auf 38 bis 40 Mio. Euro für das Gesamtjahr 2024 zurückgeschraubt werden musste. Und damit sogar noch unter das Erwartungsniveau von vor der Prognoseanhebung.

Enttäuschende vorläufige Jahresergebnisse

Gemäß den noch ungeprüften Jahresergebnissen 2024 erzielte die STEICO Gruppe einen Umsatz von 376,3 Mio. Euro (VJ: 365,3 Mio.) sowie ein EBIT von 36,1 Mio. Euro (VJ: 30,4 Mio.). Die Abweichungen beim EBIT sind auf höhere als erwartete Kosten zurückzuführen, unter anderem aufgrund von erhöhten Reparatur- und Wartungskosten, zusätzlichen Abschreibungen auf Vorräte sowie Einmaleffekten bei den Personalkosten.

Besonders enttäuschend ist das Verfehlen der Ergebnisprognose. Mit 36,1 Mio. Euro liegt das EBIT unterhalb des Erwartungskorridors von 38 bis 40 Mio. Euro – dieser wurde erst Mitte Dezember vom Unternehmen verkündet im Zuge der Prognosesenkung. Und nur zwei Wochen später erwiesen sich die Angaben – erneut – als deutlich zu optimistisch. Vertrauensverlust in Reinkultur!

In nächster Zeit dürfte es das STEICO-Management in Sachen Glaubwürdigkeit schwer haben, auch wenn die Baubranche besonders große Herausforderungen ausgesetzt ist.

Wechsel in der Unternehmensführung

Mitte März 2024 gab STEICO bekannt, dass Udo Schramek sein Amt als Vorsitzender der geschäftsführenden Direktoren (CEO) mit Wirkung zum 30. Juni 2024 niederlegen wird. Nachfolgerin wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2024 Aiveen Kearney, die bereits Mitglied des Verwaltungsrats war. Udo Schramek behielt sein Mandat im Verwaltungsrat und steht dem Unternehmen seitdem beratend zur Seite.

Am 21. Januar 2025 traten Udo Schramek und Katarzyna Schramek von ihren Positionen im Verwaltungsrat der STEICO SE zurück, was zu einer Reduzierung der Mitgliederzahl führte. Mit Beschluss vom 24. Februar 2025 hat das Registergericht des Amtsgerichts München mit Prof. Dr. h.c. Heinrich Köster und Dr. Alexander Thomas zwei neue unabhängige Mitglieder des Verwaltungsrats der STEICO SE bestellt. Die Bestellung gilt bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung, wo die Positionen durch die Aktionäre neu besetzt werden.

Übernahme durch Kingspan!?

Die Personalie Udo Schramek ist dabei von besonderer Bedeutung, denn dieser ist der Gründer von STEICO und er war bis Sommer 2023 auch der Mehrheitsaktionär mit einem Anteil von 61,1 %. Doch damals begann sein Rückzug mit dem Verkauf des größten Teils seiner Anteile an den irischen Wettbewerber Kingspan, die 51 % an STEICO übernahmen, so dass 10,1 % bei Udo Schramek verblieben. Die restlichen 38,9 % sind dem Streubesitz zuzurechnen.

Quelle: wallstreet-online.de
Dabei ist die STEICO-Aktie im Nebenwertesegment m:access der Münchener Börse notiert, doch für den irischen Mehrheitseigentümer bringt diese Börsennotierung mehr Nach- als Vorteile in Form von Publizitätspflichten und erhöhten Kostenaufwands. Es könnte daher mittelfristig darauf hinauslaufen, dass Kingspan die freien Aktionäre aus dem Unternehmen herausdrängen will. Und dies könnte in einem ersten Schritt über eine freiwillige Delisting-Erwerbsofferte geschehen, denn die Ankündigung des Einstellens der Börsennotiz belastet in der Regel den Kurs und führt zu einer Reihe abgabewilliger Altaktionäre. Nicht zuletzt, weil viele institutionelle Anleger und Fonds aus regulatorischen Gründen nur in börsennotierte Unternehmen investieren dürfen. Auf diese Weise könnte Kingspan seinen Anteil an STEICO deutlich erhöhen und ab dem Überschreitend er Schwelle von 90 % auch einen Squeeze-out anstreben, also das Herausdrängen der Kleinaktionäre. Doch soweit ist es noch lange nicht. Andererseits macht dieses Vorgehen für Kingspan am meisten Sinn, solange die Branchenaussichten gedämpft und der Aktienkurs am Boden liegt.

Bullcase vs. Bearcase

STEICO ist stark positioniert und dürfte signifikant von einer möglichen Belebung der Baukonjunktur profitieren. Das soeben beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur zielt zwar nicht auf den Wohnungsmarkt ab, dürfte die Konjunktur aber insgesamt beleben. Zudem hat die aus dem Amt scheidende Ampel-Regierung ihr erklärtes Ziel von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr meilenweit verfehlt und die neue Bundesregierung dürfte viel daran setzen, die Wohnungsnot zu bekämpfen und entsprechende finanzielle Anreize setzen. Verbesserte Abschreibungs- und Steuerbedingungen wären ein erster und schnell zu realisierender Schritt, neue und zielgenauere Förderbedingungen ein weiterer.

Die grundsätzlich steigende Nachfrage nach ökologischen und nachhaltigen Baustoffen bietet STEICO SE erhebliche Wachstumspotenziale. Andererseits ist der Markt stark umkämpft und hat mit Überkapazitäten zu kämpfen, was auch STEICO in den letzten Jahren zu spüren bekam.

Fazit

Aus dem früher unbekannten Hidden Champion ist ein europäischer Marktführer geworden, der im internationalen Maßstab jedoch noch immer ein Nebenwert ist. Auch der wieder deutlich gesunkene Börsenwert belegt dies. Andererseits ist STEICO ein Qualitätsunternehmen des Deutschen Mittelstands und die reduzierte Bewertungsebene macht die Aktie durchaus wieder interessant – sofern sich die Baukonjunktur wieder erholt, könnte STEICO zu einer attraktiven Turnaround-Spekulation heranwachsen.

Interessierte Anleger sollten dabei allerdings im Blick behalten, dass Mehrheitsaktionär Kingspan eventuell eine Komplettübernahme anstreben könnte, an deren Ende die verbliebenen Kleinaktionäre ganz aus dem Unternehmen herausgedrängt werden könnten. Derartige Konstellationen sind nicht jedermanns Sache und stellen sowohl ein Risiko als auch eine Chance für hartgesottene Anleger dar.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über STEICO wissen muss

  1. Energetische Sanierung und ökologisches Bauen sind Megatrends. Holz rückt als nachhaltiger Baustoff in den Fokus und könnte zum bevorzugten Baustoff werden.
  2. STEICO ist ein europäischer Marktführer bei Holzfaserdämmstoffen und weist eine hohe Fertigungstiefe durch die Eigenproduktion von Vorprodukten, wie Stegträgern, auf.
  3. Überkapazitäten und hohe Lagerbestände bei den Kunden ließen die Nachfrage deutlich sinken und erzeugen erheblichen Kostendruck mit fallenden Umsätzen und Gewinnen.
  4. Ein Anziehen der Baukonjunktur in Deutschland dürfte auch die Geschäfte von STEICO beleben und zu mehr Umsatz und Gewinn führen - sowie einer höheren Börsenbewertung.
Börsenwert: 367,58 Mio. Euro
KGV2024e: 17,28
KUV2024e: 0,98
Anzahl Aktien: 14,08 Mio.
Streubesitz: 38,9 %
WKN: A0LR93
ISIN: DE000A0LR936
Website: www.steico.com
Sektor/Branche: Basic Materials/Lumber & Wood Production

Disclaimer: Habe Steico auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

1 Kommentar:

  1. Für die Übernahme der Anteile bezahlte Kingspan einen Preis von 35 EUR je STEICO Aktie. Doch das ist nicht alles: Udo Schramek kann nachträglich nochmals bis zu 35 EUR je verkaufter STEICO Aktie erhalten, je nach Höhe des erwirtschafteten EBITDA im Jahr 2025.

    Vereinfacht ausgedrückt wird STEICO im Jahr 2023 ein EBITDA von ca. 60 Mio. EUR erwirtschaftet haben. Steigt der Wert bis zum Jahr 2025 auf 120 Mio. EUR, erhält Udo Schramek den vollen Zusatzbetrag von weiteren 35 EUR je Aktie. Erreicht das EBITDA einen Wert zwischen 60 und 120 Mio. EUR, gibt es eine anteilige Nachbesserung (linear verlaufende Kurve).

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