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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 1/2025 vom 14.01.2025
▶ In dieser Ausgabe: Hypoport, Evotec, Dürr, Deutz, Elmos
Steht Evotec vor der – erneuten – Wiederauferstehung?
Das Biotechunternehmen Evotec ist ein Wirkstoffforscher und ein Veteran des Neuen Markts. Anleger brauchten in den letzten 25 Jahren starke Nerven und auch in den letzten Monaten ging es weniger um Forschungserfolge als um Gerüchte, Spekulationen und Vorstandswechsel. Die hohe Unsicherheit schürt Ängste und rückt den Kurs. Warburg sieht Evotec als unterbewertet an und hat die Aktie in seine „Best Ideas 2025“ aufgenommen. Und Chancen gibt es reichlich, doch eben auch einige nicht unerhebliche Risiken.Evotec wurde bereits 1993 gegründet und fand im November 1999 den Weg an die Börse. Nur wenige Monate später, am 2. März 2000 markierte die Aktie bei 92,50 Euro ihr Allzeithoch. Es war die Zeit vor dem Platzen der Internetblase, die Zeit des Neuen Markts, die Zeit des zweiten Biotech-Hypes. Und die Zeit des Börsenwahnsinns, bevor der Crash kam und die Pleite für so viele einstige Hoffnungswerte. Auch für das damals hoch defizitäre Biotechunternehmen ging es steil bergab, als die externen Geldquellen versiegten und Profitabilität wieder in Mode kam. 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, begann das zweite Leben von Evotec, nachdem der Kurs sein Allzeittief bei 0,55 Euro markiert hatte und Dr. Werner Lanthaler als neuer CEO die Führung übernahm. Bis Herbst 2021 entspann sich einen neue Erfolgsgeschichte und führte die Aktie bis auf 45 Euro. Doch seitdem haben die Anleger kaum noch Grund zur Freude.
Einen traurigen Höhepunkt markierte der plötzliche Abgang von CEO Lanthaler Anfang 2024. Auf die erste Erklärung, es habe sich um „persönliche Gründe“ gehandelt, folgten Recherchen das Manager Magazins, wonach Lanthaler bereits 2021 für mehr als 6 Mio. Euro Aktien von Evotec veräußert hatte, ohne seinen Meldepflichten als Insider nachzukommen. Schlimmer noch: seine Verkäufe erfolgten wenige Wochen, bevor der Evotec-Großaktionär Oetker sich von seinem Aktienpaket trennte und damit einen Kursrutsch auslöste. Es drängte sich die Vermutung auf, der Oetker-Vertraute Lanthaler habe damit seine Insiderkenntnisse ausgenutzt. Und für Evotec ergab sich Anfang 2024 hieraus nicht nur das Ausscheidens des Erfolgsmanagers, sondern auch ein massiver Vertrauensschaden. Und für die Aktionäre entwickelte sich 2024 zu einem weiteren Horrorjahr, weil der Kurs von Anfangs gut 20 Euro bis Mitte Oktober auf 5,50 Euro nachgab.
Evotec weckt Interesse
Seitdem versucht sich Evotec an einer Erholung unter dem neuen Konzernchef Christian Wojczewski und lockt auf dem verbilligten Niveau wieder Käufer an.Im November gab die Private-Equity-Gesellschaft Triton Partners bekannt, am Markt eine Beteiligung von 9,9 % der Evotec-Aktien zusammengekauft zu haben. In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC offenbarte Triton dabei, man prüfe Möglichkeiten, das Unternehmen teilweise oder ganz zu erwerben und Triton selbst erklärte, man habe sich bei Evotec im Vorfeld einer Übernahme positioniert – was auch andere Kaufinteressenten nicht ausschloss.
Quelle: wallstreet-online.de |
Die bestehende Unsicherheit wurde zudem durch den plötzlichen Rücktritt des Chief Operating Officers (COO) Craig Johnstone geschürt. Eine Nachbesetzung des Postens ist zunächst nicht geplant und der CEO übernimmt die Aufgaben des COO mit.
Evotec 3.0
Doch was macht Evotec eigentlich überhaupt so interessant? Evotec hat sich aus seinen Anfängen zu einem führenden Anbieter von Wirkstoffforschung und -entwicklung gemausert, das innovative Therapien durch modernste Technologieplattformen und strategische Partnerschaften beschleunigen will.Evotec ist dabei in zwei Hauptgeschäftsbereiche gegliedert: Im Bereich Innovative Wirkstoffforschung (Research and Development) arbeitet man eng mit Pharma- und Biotechnologieunternehmen sowie akademischen Institutionen zusammen, um innovative Wirkstoffe zu identifizieren und zu entwickeln. Hierbei kommen hochmoderne Technologien wie Künstliche Intelligenz und hochdurchsatzbasierte Screening-Verfahren zum Einsatz. Besondere Schwerpunkte liegen in den Bereichen Onkologie, Neurologie und Stoffwechselerkrankungen. Mit seiner Serviceplattform für Wirkstoffentwicklung (Drug Discovery and Development) bietet Evotec als Outsourcing-Partner Dienstleistungen über den gesamten Prozess der Wirkstoffentwicklung hinweg an. Dazu gehören Zielidentifikation, Optimierung von Leitstrukturen, klinische Entwicklung und Produktion. Diese Plattform ermöglicht es Partnern, schneller und effizienter neue Medikamente zu entwickeln.
Dabei hat Evotec zuletzt mehrere positive Entwicklungen zu verzeichnen: Mit Bristol Myers Squibb gab man eine strategische Zusammenarbeit bekannt, die sich auf die Entwicklung neuer Therapien im Bereich der Autoimmunerkrankungen konzentriert. Diese Partnerschaft basiert auf Evotecs präzisionsmedizinischer Plattform und soll in den kommenden Jahren zu erheblichen Meilensteinzahlungen führen.
Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, hat Evotec in die Erweiterung seines Standorts in Toulouse investiert. Dies umfasst modernste Labore und neue Technologien, die die Entwicklung von Wirkstoffen erheblich beschleunigen sollen.
Des Weiteren hat Evotec seine Tochtergesellschaft Just - Evotec Biologics erfolgreich in den USA an die Börse geführt und will die Einnahmen hieraus für den Ausbau der Kapazitäten für biopharmazeutische Produktionen nutzen.
Größte Beachtung dürfte der Mitte Dezember bekanntgegebene Stand der Kooperation mit Novo Nordisk finden, weil die Dänen mit ihren Diabetes- und Abnehmpräparaten höchste Aufmerksamkeit erlagen. Mit ihrem transnationalen Accelerator LAB eN haben beide Unternehmen nun einen Meilenstein erreichet und die ersten drei Forschungsprojekte ausgewählt.
Diese konzentrieren sich auf die Forschung zu verschiedenen kardiometabolischen Erkrankungen, um neuartige therapeutische Kandidaten für die potenzielle Behandlung des metabolischen Syndroms, einschließlich Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes, zu entwickeln. Auch wenn keine schnellen Ergebnisse zu erwarten sind, deutet sich hier doch Evotecs starke Positionierung im Bereich der Wirkstoffforschung an.
Quartalsergebnisse mit Licht und Schatten
Evotecs Geschäftszahlen für das 3. Quartal zeigen ein solides Wachstum. Evotec erzielte einen Quartalsumsatz von 222 Mio. Euro und damit 15 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Wachstum wurde hauptsächlich durch die starke Nachfrage nach den Serviceleistungen und Fortschritte in strategischen Partnerschaften getrieben. Das bereinigte operative Ergebnis (EBITDA) stieg auf um 20 % auf 43 Mio. Euro, während die Forschungsausgaben um 12 auf 32 Mio. Euro zulegten. Der Auftragsbestand erreichte mit 1,1 Mrd. Euro ein Rekordniveau und spiegelt das Vertrauen der Partner in Evotecs Expertise wider. Und das ist angesichts der Querelen der letzten 12 Monate mehr als ein kleiner Achtungserfolg.Bei den 9-Monatszahlen offenbart Evotec aber weiterhin Schwächen. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) lag bei minus sechs Mio. Euro, nachdem im Vorjahr noch ein Plus von 50,2 Mio. verbucht werden konnte. Unterm Strich weitete sich der Fehlbetrag von 68 auf rund 155 Mio. Euro aus, während die Erlöse zwischen Januar bis September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Prozent auf 575,7 Mio. Euro zurückgingen.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Evotec erhöhte Aufwendungen zu verzeichnen hatte, um die in 2023 erfolgte Cyberattacke in den Griff zu bekommen und die Systeme für künftige Attacken zu wappnen. Die damit verbundenen hohen Einmalaufwendungen wachsen demnächst aus dem Zahlenwerk heraus, erhöhte Mitteleinsatz für die IT-Sicherheit wird aber zum ständigen Begleiter werden. Doch das ist das kleinere Übel und Evotec hier kein Einzelschicksal.
Entsprechend legte Konzernlenker Christian Wojczewski seinen Fokus eher auf die Erfolge der letzten Wochen und zeigte sich dank neuer und erweiterter Forschungspartnerschaften mit namhaften Pharmakonzernen zuversichtlich. Diese seien eine starke Grundlage für das beschleunigte Umbauprogramm, das den Weg für langfristiges profitables Wachstum ebnen werde. Evotec hatte unter anderem eine Verschlankung des Portfolios eingeläutet und erwartet, dass die volle Auswirkung der Reorganisation auf den Personalbestand im 4. Quartal und bis in die erste Jahreshälfte 2025 sichtbar wird. Auch deshalb erhofft der CEO sich einen ersten positiven Ergebnisbeitrag bereits im 2024er Abschlussquartal.
Bullcase vs. Bearcase
Evotec musste sich neu erfinden, musste Geschäftsbereiche abstoßen, immer wieder frisches Geld auftreiben und gelangte zwischenzeitlich zurück in die Erfolgsspur. Heute ist Evotec ein Wirkstoffforschungs- und –entwicklungsunternehmen. Dabei gehen die Hamburger Forschungsallianzen und Entwicklungspartnerschaften mit Pharma- und Biotechnologieunternehmen ein und entwickeln mit diesen gemeinsam neue pharmazeutische Produkte.Dennoch bleibt das Unternehmen unter seinen Möglichkeiten und hat die Anleger mehrfach enttäuscht. Auch deshalb ist der Aktienkurs wieder deutlich gefallen nach der Erholungsphase 2021. Auf dem verbilligten Kursniveau erweckt man Appetit, sowohl von Wettbewerbern als auch von Finanzinvestoren. Das Unternehmen ist „im Spiel“ und das kann dem Aktienkurs nur gut tun. Wenn nun noch bessere Ergebniszahlen vorgelegt werden können und die Profitabilität winkt, bieten sich neben den durchaus vorhandenen Risiken auch wieder Chancen. Warburg stellt mit seinem Kursziel von 14 Euro auf diese ab und hält Evotec im Gesundheitssektor für die beste Investmentidee für 2025 auf Basis der breiten Aufstellung und der auf Effizienz ausgerichteten Reorganisation. Für Anleger mit hoher Risikobereitschaft könnte sich hier eine interessante Spekulationsmöglichkeit auftun.
Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Evotec wissen muss
- Evotec ist erfolgreich in Wirkstoffforschung und –entwicklung und bietet innovative Therapien durch seine moderne Technologieplattform.
- Über Partnerschaften bieten sich Evotec interessante Perspektiven und attraktive Verdienstmöglichkeiten beim Erreichen von zuvor definierten Meilensteinen.
- Warburg stuft Evotec im Gesundheitssektor als beste Investmentidee für 2025 ein auf Basis der breiten Aufstellung und der auf Effizienz ausgerichteten Reorganisation.
- Die Rückkehr in die schwarzen Zahlen steht bevor und zusammen mit dem zunehmenden Übernahmeinteresse bietet sich ein attraktives Kurspotenzial für spekulative Anleger.
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