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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 19/2024 vom 18.12.2024
▶ In dieser Ausgabe: Alzchem, About You, Adesso, Koenig & Bauer, Zeal Network
About You: Alles neu beim Online Modehändler?
Mit Mode ist kein Geld mehr zu verdienen. So sollte man meinen, wenn man den Schlagzeilen folgt. Der Onlinehandel hat dem stationären Handel schon stark zugesetzt, bevor die Corona-Pandemie zu Lockdowns und einer großen Pleitewelle führte. Doch auch nach der Rückkehr zum weitgehenden Normalzustand rollte eine Insolvenzwelle über die Modemarken und –anbieter hinweg. Seit zwei Jahren haben nun auch die Onlinehändler schwer zu kämpfen, was vor allem an der Billigkonkurrenz aus Fernost liegt. Doch die Konzentrations- und Pleitewelle birgt auch Chancen.
About You ist ein führender Online-Modehändler in Europa. Seit seiner Gründung im Jahr 2014 durch Tarek Müller, Sebastian Betz und Hannes Wiese hat sich das Unternehmen zu einem der größten und innovativsten Modehändler in Deutschland und Europa entwickelt.
Das Unternehmen fokussiert sich auf die Personalisierung und Inspiration des Einkaufsprozesses über mobile Endgeräte. Dabei erzielt man 75 % des Umsatzes über seine mobile App, die neben einer benutzerfreundlichen Oberfläche vor allem personalisierte Empfehlungen basierend auf den Vorlieben und dem Verhalten der Nutzer bietet. Dabei greift About You auf Kooperationen mit über 500 Influencern pro Monat zurück, um die Kunden mit deren Mode und Lifestyle zu inspirieren. About You bietet mehr als 1.500 Marken in den Kategorien Mode, Sportbekleidung, Schuhe und Accessoires. Dazu kommen Eigenmarken wie Edited und ABOUT YOU.
Social Commerce ist ein wesentlicher Treiber. About You nutzt hierzu Social Media Plattformen wie Instagram Shopping, um den Einkaufsprozess einfacher und zugänglicher zu gestalten und somit mehr Umsatz bei weniger Aufwand zu generieren. Dabei kommen auch fortschrittliche Datenanalysetools zum Einsatz, um die Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden zu verstehen und entsprechende Produkte zu empfehlen. Zudem wird kontinuierlich an der Verbesserung der Nutzererfahrung gearbeitet, indem neue Funktionen und Technologien integriert werden.
Zweifel an den Geschäftszahlen
Blickt man auf den Aktienkurs spiegelt dieser keinen Erfolgskurs wider. Das dürfte auch daran liegen, dass About You in Sachen offene und klare Kommunikation zu den Schlusslichtern gehört und Anleger regelmäßig mit maßlos übertriebenen Jubelmeldungen bei der Stange zu halten versucht.
Der Kapitalmarkt wird mit Gewinnmeldungen zugekleistert, während keine Gewinne erzielt werden. Jedenfalls nicht nach herkömmlichen buchhalterischen Maßstäben und nicht anhand gebräuchlicher Kennzahlen. Das hindert About You nicht, ständig und in zunehmendem Maße jede erdenkliche Kostenposition aus den Ergebnissen herauszurechnen und am Ende ein Ergebnis zu präsentieren, das irgendwie im Plus liegt. Spötter sprechen bei About You von der Kennzahl „Gewinn vor Kosten“. Entsprechend vorsichtig sollten Anleger die Meldungen und auch die Zahlenwerke behandeln. Wirklich aufschlussreich ist nur der Jahresabschluss, aber das Zahlenwerk ist kaum verständlich.
Also arbeiten wir mit dem was wir haben… Die Geschäftsergebnisse zum 3. Quartal 2024 zeigen einen im Vorjahresvergleich um 10 % auf 500 Mio. Euro gestiegenen Umsatz und About You berichtet über 1,2 Mio. neu gewonnene Kunden innerhalb der letzten 12 Monate. Der bereinigte Netto-Umsatz betrug 200 Mio. Euro, was einem Anstieg von 15 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht, und die bereinigte EBIT-Marge lag bei 8 %. Wie gesagt, es wurde reichlich und fast alles bereinigt, insofern sind diese Zahlen nur wenig aussagekräftig – vor allem im Vergleich mit Wettbewerbern. About You präsentiert sich regelmäßig viel schöner als es eigentlich ist.
Übernahme durch Zalando
Zuletzt geriet man in die Schlagzeilen, weil Zalando bei About You zugegriffen hat. Zalando hat ein freiwilliges öffentliches Angebot für bis zu 100 % der About You-Aktien veröffentlicht und wird insgesamt 1,2 Mrd. Euro auf den Tisch legen. Der Angebotspreis liegt mit 6,50 Euro mehr als doppelt so hoch der vorherige Schlusskurs.
Quelle: wallstreet-online.de |
Dennoch kann die Übernahme wohl erfolgreich vollzogen werden. About You gehört zur Otto-Unternehmensgruppe, die sich bereits seit mehreren Jahren von ihren vormals vielen Online-Ventures trennt, um ihr strauchelndes Kerngeschäft zu sanieren. Mit dem Verkauf von About You ist man damit nun einen großen Schritt weiter.
Dabei war gar nicht mehr fraglich, ob About You verkauft wird, sondern eigentlich nur, an wen. Denn im europäischen Online-Modehandel ist ein wahrer Übernahme- und Fusionstsunami ausgebrochen. Hier liefern sich insbesondere die britische Frasers Group und die dänische Bestseller Group einen heißen Fight. Sie ringen um Macht und Einfluss und haben sich in mehreren führenden Onlineunternehmen Europas mit größeren Anteilen eingekauft, wie Asos und Boohoo. Der Däne Anders Holch Povlsen, der hinter der Bestseller Group steht, ist zudem mit einem üppigen Aktienpaket an Zalando beteiligt – und auch an About You.
Doch weder Frasers noch Bestseller kamen bei About You zum Zug. Zalando konnte sich bereits über 70 % der Anteile sichern, die weitgehend aus dem Kreis der Großaktionäre um die Otto Group stammen. Sofern nicht die Kartellwächter der Übernahme einen Riegel vorschiebendürfte die Transaktion im kommenden Sommer vollzogen sein. Was nicht bedeutet, dass Bestseller oder Frasers nicht auch nach Zalando selbst greifen könnten. Übernahmefantasie spinnt sich schon seit Jahren um Zalando und dabei werden auch große Adressen genannt wie Alibaba oder Amazon. Bisher war das allerdings nur Schall und Rauch.
Zwei-Marken-Strategie!?
Zalando und About You haben nun verkündet, künftig weiterhin als unabhängige Marken zu agieren, aber Synergien in den Bereichen Logistik, Zahlung, Einkauf, Marketing und Business-to-Business-Geschäft heben zu wollen, die Zalando mit 100 Mio. Euro pro Jahr beziffert.
Ob Zalando wirklich langfristig eine Mehrmarkenstrategie fahren wird, wird in Branchenkreisen allerdings angezweifelt, weil die Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle und Zielgruppen zu groß sei. Viel mehr wird vermutet, dass es Zalando vor allem um die Technologie im Hintergrund ging. Denn hier hat Zalando eine Schwäche im eigenen Service- und Technologie-Portfolio, die mit einer Shoptech-Lösung wie "Scayle" zu schließen wäre. Und mit Scayle hatte About You große Pläne, wie man Anfang November auf seinem Kapitalmarkttag verkündet hat. Dabei sollte Scayle als Newcomer vor allem etablierten Playern wie SAP (Hybris) oder Salesforce (ehemals Demandware) den Rang streitig machen mit dem Versprechen, je Kunde 1,6 Mio. Euro an Umsatz zu generieren, während es die Wettbewerber im Schnitt nur auf 0,3 Mio. Euro brächten.
Inwieweit die Strategie aufgeht, bleibt abzuwarten. Bisher befeuerte Scayle zuvorderst Onlineshops aus der Otto-Sphäre wie Baur oder Witt & Co., hat in den letzten beiden Jahren aber auch Branchengrößen wie Deichmann oder Fielmann als Kunden gewinnen können. Für Zalando ist Scayle jedenfalls eine willkommene Tech-Ergänzung.
Bullcase vs. Bearcase
Für Anleger stellt sich die Frage, was sie nun mit ihren About You-Aktien anfangen sollen. Die Übernahme durch Zalando dürfte dank der Unterstützung durch die Otto Group fix sein und dem entsprechend kaum eine Bieterschlacht um About You ausbrechen. Wie viele Aktien sich Zalando letztlich sichern kann, bleibt abzuwarten. Weitere Schritte könnten dann sein, ein Delisting anzustreben, um sich weitere Aktienpakete zu sichern und später ein Squeeze-out. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Die Wahrscheinlichkeit, dass auf kurze Sicht viel mehr als der Übernahmepreis von 6,50 Euro aus den About You-Aktien herauszuholen sein wird, ist wohl gering.
Der Mode-Onlinehandel insgesamt bleibt "im Spiel", weil sich hier mehrere Parteien um die mehr oder weniger attraktiven Spieler balgen. Wer am Ende die Nase vorn hat und ob man sich mittel- und langfristig gegen Branchengrößen wie Amazon oder die Billigheimer aus China durchsetzen kann (Shein, Temu), steht in den Sternen. About You als Solist hat ausgespielt, Zalando kann selbst zu einem Großen werden, wenn man denn die verloren Jahre irgendwie wieder aufholt. Vielleicht ja sogar mit der Bestseller Group als Ankeraktionär im Rücken. Aber das ist eine andere Geschichte…
Die 4 wichtigsten Dinge, die man über AboutYou wissen muss
- Seit dem Börsengang Mitte 2021 kannte der Kurs nur den Rückwärtsgang und auch die Kursverdopplung wegen des Zalando-Übernahmeangebots reißt hier nicht viel raus.
- Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Übernahme steht hoch, die Chancen auf einen Bieterwettstreit sind eher gering.
- Mit dem Übernahmepreis von 6,50 Euro sind die About You-Aktien gut bewertet, mehr dürfte kaum drin sein. Scheiter die Übernahme, droht ein Kurseinbruch.
- Auf die künftige Mutter Zalando zu setzen birgt ihre ganz eigenen Risiken, mit denen sich interessierte Anleger unbedingt beschäftigen sollten, bevor sie deren Aktien kaufen.
Disclaimer: Habe Amazon auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.
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