Freitag, 22. November 2024

Kissigs Aktien Report: Bayer - Die Verzwergung eines deutschen Wirtschaftsriesen. Und Buffett mischte kräftig mit!

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem 'Aktien Report' von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen und Themen vor. Die Ausgaben des 'Aktien Reports' und/oder 'Geld Anlage Reports' erreichen ihre Leser samstags kostenlos und 'druckfrisch' per Email und man kann sich ▶ hier beim 'Geld Anlage Report' anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 188 vom 15.11.2024

Bayer: Die Verzwergung eines deutschen Wirtschaftsriesen - und Buffett mischte kräftig mit!

Bayer ist der wertvollste DAX-Konzern. Wir schreiben das Jahr 2015, Bayer war knapp 120 Mrd. Euro schwer und eine der fatalsten Fehlentscheidungen der (deutschen) Wirtschaftsgeschichte war noch nicht Realität. Denn die Übernahme des umstrittenen Saatgut- und Pestizid-Spezialisten Monsanto erfolgte erst 2016 und damit begann die Leidensgeschichte für den Bayer-Konzern und seine Aktionäre. Heute bringt es Bayer gerade mal noch auf einen Börsenwert von 20 Mrd. Euro und dieser Crash von knapp 85 % spülte die Bayer-Aktie auf Platz 29 der DAX-Werte. Einen Rausschmiss muss Bayer dennoch nicht fürchten, denn inzwischen umfasst der deutsche Leitindex ja 40 statt 30 Werte. Aber das ist auch der einzige Lichtblick für die Bayer-Aktionäre…

Von der HitCo zur ShitCo

Es tut mir leid, aber wir müssen noch ein bisschen auf der miesen Übernahme rumreiten, bevor wir uns der heutigen Realität stellen. Die Monsanto-Übernahme wurde erst am 7. Juni 2018 abgeschlossen. Bis dahin hatte Bayer viel Hürden zu überspringen und viele Zugeständnisse zu machen – es gab also auch reihenweise Anlässe, doch noch rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Aber das war nicht gewollt.

Bayer-Chef Werner Baumann boxte den Deal durch, selbst ein Präsidentenwechsel in den USA von Obama zum als protektionistisch eingestuften Trump erwies sich (leider) nicht als Stolperstein. Bayer übernahm Monsanto für 66 Mrd. USD und damit zum etwa Dreifachen des heutigen Unternehmenswerts, also von Bayer und Monsanto zusammen. Und Baumann war Überzeugungstäter. Er bejubelte die Übernahme seinerzeit wie folgt:
"Die Akquisition von Monsanto hat zwei starke Geschäfte zusammengebracht, die sich in hohem Maß ergänzen: Das innovative chemische und biologische Pflanzenschutzportfolio von Bayer und das herausragende Wissen von Monsanto in den Bereichen Saatgut und Pflanzeneigenschaften. (...) Wir sind jetzt ein führendes Unternehmen in der Landwirtschaft mit einem klaren Bekenntnis zu Innovation und Nachhaltigkeit - um Nutzen für unsere Kunden und die Gesellschaft."
(Bayer-CEO Werner Baumann im September 2018)
Was heute wie Hohn klingt, war damals die Überzeugung der Verantwortlichen. Dass sich Bayer mit dem Glyphosat-Hersteller eine (vielleicht?) tödliche Vergiftung einfangen würde, war damals noch nicht absehbar. Jedenfalls nicht in dem sich entwickelnden Ausmaß, wie wir es heute klar sehen.

Dabei stand Monsanto schon damals im Fadenkreuz und war das Ziel vieler Sammelklagen von Geschädigten. Und was Sammelklagen in den USA bedeuten können, haben schon ganze andere Industriegrößen erlebt, da ist Bayer nicht die erste. Aber wohl eine der am härtesten getroffenen. Und bis heute ist es Bayer nicht gelungen, durch Vergleiche und/oder Urteile einen Deckel auf das Milliardengrab zu hämmern. Immer wieder poppen neue Geschädigte hoch, immer wieder zahlt Bayer Entschädigungen und Strafen, immer wieder ist der Name Bayer und damit die Marke negativ in den Schlagzeilen.

Als dann CEO Baumann endlich abtrat nach 7 Jahren an der Konzernspitze und 35 Jahren im Unternehmen, keimte kurz Hoffnung auf. Seit Mitte 2023 ist Bill Anderson der neue an der Vorstandsspitze, doch der Hoffnungsträger mutierte schnell zum Sargnagelhalter. Denn Anderson hält an Monsanto fest, er widersetzt sich Forderungen, die Seuchentochter abzuspalten oder zu verkaufen und so Bayer wieder eine Zukunftsperspektive zu geben. Nichts da, Augen zu und durch. Bayer befindet sich auf dem Weg in den Abgrund und der Neue… tritt bis zum Anschlag aufs Gaspedal.

Kein Wunder, dass die Aktionäre scharenweise flüchten. Und es wird nicht besser.

Einfach nur miese Ergebnisse

Auch das 3. Quartal 2024 ist geprägt von einem schlappen Agrargeschäft. So sank der Umsatz im Jahresvergleich um 3,6 % auf 9,97 Mrd. Euro; ohne negative Wechselkurseffekte wäre es ein kleines Plus gewesen, aber das ist nicht wirklich ein Lichtblick. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) ging um fast 30 % auf 939 Mio. Euro zurück und unterm Strich stand sogar ein Verlust von -4,2 Mrd. Euro, nachdem es vor einem Jahr noch -4,57 Mrd. waren. Das erneute Minus ging vor allem auf weitere Abschreibungen in der Agrarsparte zurück.

Quelle: wallstreet-online.de
Es läuft also gar nicht rund und deshalb musste Bayer nun auch die Jahresprognose einkassieren. Für 2024 peilt der DAX-Wert nun nur noch Erlöse von 45,5 bis 47,5 Mrd. Euro an sowie ein um Sondereffekte bereinigtes EBITDA zwischen 10,0 und 10,3 Mrd. Euro statt bisher 10,2 bis 10,8 Mrd.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Agrarsparte nicht (mehr) Bayers einziges Sorgenkind ist. Auch das zweite Standbein, die Pharmasparte, schwächelt. Der Umsatzbringer Xarelto kommt in die Jahre und sieht sich wachsender Generika-Konkurrenz ausgesetzt, so dass im 3. Quartal die Einnahmen mit dem Blutverdünner um 24 % auf 802 Mio. Euro zurückgingen. Damit hat der Gerinnungshemmer seine Umsatz-Spitzenposition im Bayer-Portfolio an das Augenheilmittel Eylea verloren, dessen Einnahmen um 5,7 % auf 848 Mio. Euro anstiegen. Aber auch dieser Blockbuster verliert zunehmend seinen Patentschutz, womit der Markt für Nachahmer geöffnet wird. Und so hat Sandoz, die kürzlich vom Schweizer Pharmariesen Novartis abgespaltene Generika-Sparte, soeben von der EU die Zulassung für sein Eylea-Biosimilar Afqlir erhalten. Nur eine von vielen negativen Meldungen, vermutlich aber kaum die letzte.

Buffett kommt nicht zurück…

Den Trigger mit Buffett muss ich noch erklären. Starinvestor Warren Buffett ist nicht bekannt dafür, dass er sich auf windige Geschäfte einlässt oder auf Manager, die charakterlich suboptimal aufgestellt sind. Beides konnte man Monsanto früher durchaus nachsagen, als es Buffetts Interesse weckte. Und so wurde Warren Buffett Aktionär von Monsanto. Gegen seine Überzeugungen, aber mit voller Absicht.

Der Value Investor ist bekannt für sein gutes Gespür für qualitativ hochwertige Unternehmen und seinen langen Anlagehorizont. American Express, Moody's und Coca-Cola hat er seit einem Vierteljahrhundert im Depot und seine Aktien nie wieder angerührt. Aber er wagt auch gerne mal eine Arbitrage-Spekulation, setzt also auf absehbare Kursgewinne in Sondersituationen.

Beim Spielehersteller Activision Blizzard kaufte er sich groß ein, als die Übernahme durch Microsoft in der Schwebe hing. Zuletzt kaufte er Aktien der Liberty Sirius XM Group. Medienmogul John Malone ordnet sein Firmenkonglomerat neu und Buffett hatte sich kräftig bei den Tracking Stocks der Radiotochter eingedeckt. Die Investoren der Liberty Sirius XM Group haben Ende August darüber abgestimmt, ob sie ihre Aktien mit den Sirius-XM-Stammaktien zusammenlegen wollen. Die positive Entscheidung war beinahe absehbar, da John Malone selbst sie unterstützt hat und die Tracking-Stocks mit einem Abschlag zu Sirius XM gehandelt wurden. Buffett kaufte sich auf diese Weise günstiger bei Sirius XM Holdings ein, als wenn er deren Aktien direkt über die Börse gekauft hätte. Und ein Arbitrage-Gewinn von 10 % innerhalb von vier Monaten ergibt rechnerisch eine Jahresrendite auf das eingesetzte Kapital von mehr als 30 %.

Buffett liebt Arbitrage. Und bei Monsanto war er fett eingestiegen, nachdem die Übernahme durch Bayer angekündigt worden war. Anschließend lag der Monsanto-Aktienkurs oft im zweistelligen Prozentbereich unterhalb der Übernahmeofferte von Bayer, die 128 USD je Aktie boten, so dass Buffett die Aktien mit erheblicher Sicherheitsmarge auf ihren fairen Wert einsammeln konnte. Als er seine Position Ende März 2018 offenlegen musste, notierte die Monsanto-Aktie um 11 USD unter Bayers Übernahmeofferte und in der Zwischenzeit waren es teilweise deutlich größere Abschläge gewesen. Am Ende hat Buffett innerhalb kurzer Zeit also mindestens 200 Mio. USD verdient, vermutlich sogar deutlich mehr. Buffett liebt Arbitrage.

Mein Fazit

Warren Buffett dürfte einer der letzten Anleger gewesen sein, die mit Bayer ordentlich Geld verdient haben. Alle anderen haben immer wieder und immer mehr draufgezahlt. Und das wird sich kaum ändern, solange Bayer vor US-Gerichten einen Tritt ins Suspensorium nach dem anderen erhält.

Bayer selbst hofft auf ein höchstrichterliches Urteil bis Ende 2026 und damit auf ein Ende der Klagewelle. Also auf ein Ende mit Schrecken als dem bisherigen Schrecken ohne Ende. Aber diese Hoffnung hatte Bayer schon öfter und bisher wurde sie immer wieder enttäuscht. Unterdessen wächst die Zahl der angemeldeten Ansprüche gegen Bayer in den USA wegen angeblich von Roundup ausgelöster Krebserkrankungen weiter. Bis Mitte Oktober waren rund 177.000 Ansprüche gemeldet und damit kamen im 3. Quartal weitere 5.000 hinzu. Dabei sind nach derzeitigem Stand noch rund 63.000 Fälle offen, also nicht durch einen Vergleich beigelegt.

Es sind so viele Anwälte, die sich hier eine goldene Nase verdienen und auf Jahre und Jahrzehnte mit Arbeit und Einnahmen versorgt sind, dass es gar kein Interesse an einer Belegung der Klagen gibt. Und da die Mittel Glyphosat und Roundup von Bayer munter weiterverkauft werden, reist der Strom an potenziell Geschädigten auch nicht ab. Aber Bayer will das nicht verstehen, will das nicht sehen. Das ist schon nicht mehr fahrlässig, sondern dummdreist. Und widerspricht jedem gesunden Menschenverstand und sämtlichen Aktionärsinteressen.

Im Visier der Shortseller

Hoffnungsschimmer sucht man bei Bayer also vergebens, ein Erkennen des Kamikazekurses oder gar ein Einlenken ebenso. Das nutzt nun der in New York ansässige Hedgefonds D.E. Shaw gnadenlos aus; dieser verwaltet mehr als 60 Mrd. Dollar an Vermögenswerten und wettet nun mit einer Shortposition im Volumen von 102 Mio. Euro gegen Bayer. Das wirkt - leider- vielversprechend. Weil Bayer stur und einsichtsresistent auf seinem Irrweg beharrt. Eigentlich kann man nur hoffen, dass ein aktivistischer Hedgefonds bei Bayer einsteigt und Tabula rasa macht: Vorstand feuern, Aufsichtsrat austauschen, Monsanto loswerden. Wo ist Paul Singer, wenn er mal wirklich gebraucht wird? *)

Die Bayer-Aktie liegt in vielen Fonds, es gibt mehrere Aktionärsvertretungen in Deutschland, aber sie haben bisher nicht den Willen oder die Kraft, sich zu organisieren und den nötigen Wechsel herbeizuführen. An der Spitze und bei der Richtung. Daher kann man nur sagen, dass sie sich ihre Kursverluste redlich verdient haben! Die Kleinaktionäre, die sind wieder einmal die Dummen. Denn die vertrauen auf den großen Namen und darauf, dass die Führungsspitze schon weiß, was sie tut. Aber das tu sie nicht, erwiesenermaßen.

Manchmal wirkt erst eine Nahtoderfahrung bewusstseinserweiternd. Hoffen wir für Bayer, die Aktionäre und die vielen tausend Mitarbeiter, dass der Strahl der Erkenntnis hier irgendwann vom Himmel herabfährt. Aber das ist nur meine Hoffnung, keinesfalls meine Erwartung. Denn die Erfahrung deutet in die andere Richtung…

Möge die Rendite mit euch sein!
Euer Börsenbarde
Michael C. Kissig

*) Paul Singer war mit seinem Hedgefonds Elliott Management bereits bei Bayer investiert, zog sich dort aber relativ schnell und erfolglos wieder zurück. Manchmal ist die Zeit einfach noch nicht reif und das Wild noch zu... wild.

Disclaimer: Habe Berkshire, Microsoft, Moody's auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen