Thema meines 4. Aktien Reports (vom 29.05.20): "Favoritenwechsel? Wenn Danaher bockt und Fortive lockt!"
Favoritenwechsel? Wenn Danaher bockt und Fortive lockt!
Die Technologieaktien sind bisher am besten durch die Corona-Krise gekommen und der Technologie-Index NASDAQ 100 markierte im Mai bereits wieder neue Jahreshochs. Doch auch die Technologiewerte bleiben operativ nicht von den Auswirkungen verschont und setzen entweder ihre Jahresprognosen aus oder haben eine erhöhte Kostenbelastung, was die Ergebnisse drückt. Wenn auch vergleichsweise moderat. Nur ganz wenige Unternehmen sind auch auf kurze Sicht Corona-Profiteure und erhöhen entsprechend ihre Prognosen.Die Konsequenz ist, dass die Bewertung der Technologieunternehmen gestiegen ist. Die Kurse notieren oft am Allzeithoch, während die Gewinne (etwas) niedriger ausfallen. Getrieben werden die Kurse vor allem durch die enorme Liquidität, die die Notenbanken ins System pumpen.
Und das zeigt auch bei den klassischen Unternehmen Wirkung, zumal weltweit der Lockdown zurückgedreht wird und die Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnimmt. Dem entsprechend gehörte in den letzten Tagen die "Old Economy" zu den Kursgewinnern, während die Technologieaktien schwächelten.
Nicht verwunderlich, denn die Stimmung ist absolut mies, die eintrudelnden Konjunkturdaten sind nach wie vor verheerend, aber… die Frühindikatoren zeigen Erholungstendenzen und die Börse spielt nicht das Hier und Jetzt, sondern das Morgen und Übermorgen. Und ausgehend von der aktuellen Wirtschaftslage wird es in sechs, neun und achtzehn Monaten wesentlich besser sein als heute. Wenn auch noch nicht unbedingt gut oder gar wieder so gut wie vor der Corona-Krise.
Der Favoritenwechsel an der Börse bedeutet nicht, dass die mittel- und langfristigen Aussichten für die Technologieaktien sich verschlechtert hätten. Die positiven Erwartungen sind nur schon stärker in den Kursen eingepreist, als es dies bei den zuvor ausgebombten klassischen Aktien der verprügelten Sektoren der Fall war. Und diese Sektorrotation birgt einiges an Potenzial, das auch die ehemaligen Familienmitglieder der Danaher-Dynastie (be-)treffen könnte.
Danaher – eine ganz besondere Familiengeschichte
Danaher war ein Mischkonzern, der vor allem angeschlagene Unternehmen kaufte und wieder auf Vordermann brachte. Über 400 Unternehmen verleibten sich die Amerikaner ein seit der Gründung im Jahr 1969 durch die Brüder Steven und Mitchell Rales, die heute im Aufsichtsrat sitzen und zusammen über zwölf Prozent der Anteile halten.Nach der bis dahin größten Übernahme der Firmengeschichte, des Filterspezialisten Pall, für 13,8 Milliarden Dollar stand auch Danaher am Scheideweg – das Unternehmen war zu groß und unübersichtlich geworden. Und so entschied man sich 2016, das Unternehmen in zwei Teile aufzuspalten. Das Unternehmen Danaher Corp. wurde für die Bereiche Forschung und Technologie zuständig und war vor allem in der Umwelt- und Messtechnik, der Zahnarztausrüstung und der Diagnostik tätig. Und umfasst auch den Filterspezialisten Pall.
Die Fortive Corp. hingegen konzentrierte sich auf das klassische Industriegeschäft, also Telematik, Automation und Tankstellenausrüstung.
Das Danaher Business System
Die Grundlage beider Ableger ist und bleibt das sogenannte Danaher-Business-System, hinter dem sich ein permanentes Effizienzprogramm verbirgt, dem sich alle übernommenen Firmen unterziehen müssen. Aber in regelmäßigen Abständen auch immer wieder die im Bestand. Dabei werden alle Konzepte, Arbeitsabläufe und Handgriff überprüft und ggf. verbessert. Manager zugekaufter Unternehmen werden auf eine mehrwöchige Rundreise durch die Danaher-Welt geschickt, damit sie die Effizienzdoktrin des Hauses verinnerlichen. So werden Wachstum, Margen und Geldfluss kontinuierlich gesteigert.Doch Wachstum im operativen Geschäft ist nur ein Teil des Geschäftsmodells, weitere Firmenübernahmen sind das zweite Standbein beider Unternehmen und hieraus speist sich auch die Rechtfertigung für die optisch höhere Börsenbewertung: die Erwartungshaltung, dass beide Unternehmen auch künftig die Erfolgsgeschichte der ursprünglichen Danaher Corp. fortführen und langfristig zweistellige Renditen für ihre Aktionäre einfahren werden.
Allerdings ist es nicht bei dem ersten Spin-off geblieben auch die "Baby-Danahers" haben sich weiter aufgeteilt, so dass man heute nicht mehr den einen Gemischtwarenladen vorfindet, sondern auf bestimmte Sparten spezialisierte Beteiligungsunternehmen.
Die (neue) Danaher Corp.
Danaher ist in den Bereichen Gesundheit und Umwelt aktiv und führt aktuell 25 Tochterunternehmen. Im Sektor Life Sciences geht es um die Entwicklung von Geräten und Verfahren für die medizinische Forschung und Anwendung, z.B. Mikroskope und Spektrometer. In der Sparte Diagnose werden Krankenhäuser und Ärzte mit Geräten und Software ausgestattet, um Diagnosen stellen zu können. Die Sparte Environmental & Applied Solutions beschäftigt sich mit Umwelttechnik. Hier geht es um das Reinigen von Wasser und umweltfreundliche Verpackungen.Nicht mehr an Bord ist die Dentaltechnik, die Danaher letztes Jahr im Wege eine Split-offs seinen eigenen Aktionären zum Tausch gegen Danaher-Aktien angeboten hatte. Auf diesem Weg wurden 7,7 Prozent der Danaher-Aktien eingesammelt und somit die Zahl der ausstehenden Aktien verringert. Was sich künftig gleich doppelt positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken wird, da die nun unter Envista notierte Dentalsparte eher margenschwach daherkam und sich der Gewinn künftig auf weniger Aktien verteilt.
Auf der anderen Seite kaufte Danaher für 21,4 Milliarden Dollar die Biopharmasparte ("Cytiva") von General Electric zu – wo seit einiger Zeit der ehemalige Danaher-CEO Larry Culp den Turnaround bei der einstigen Industrie-Ikone und wertvollstem Unternehmen der Welt versucht.
Danahers Business wird von Corona kaum beeinträchtigt, während bei Cytiva große Potenziale schlummern, die durch das Danaher Business System zu heben sind. Der Danaher-Kurs steht entsprechend nahe an seinem bisherigen Allzeithoch.
Die Fortive Corp.
Ganz anders sieht die Lage bei Fortive aus, einem global tätigen Industrieunternehmen, das sich auf die Wachstumschancen in den sich schnell entwickelnden Transport- und Mobilitätsmärkten konzentriert. Fortive verfügt über ein Portfolio führender Marken in den Bereichen Herstellung von Industriekomponenten und technischen Geräten, Flottenmanagement sowie Kfz-Service- und Reparaturlösungen.Damit ist Fortive von der allgemeinen Konjunkturlage abhängig, was bis vor einigen Wochen für glänzende Geschäfte und Augen sorgt. Doch Corona hinterlässt tiefe Bremsspuren im operativen Geschäft und so verfehlte Fortive kürzlich die Erwartungen und musste darüber hinaus auch seine Jahresprognosen kappen.
Auch Fortive wendet weiterhin das Danaher Business System an, um sich ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Und auch Fortive nutzt sich bietende Chancen, um durch Übernahmen anorganisch zu wachsen und hier dann zusätzliche Potenziale und Synergien haben zu können.
Andererseits will Fortive auch nicht wieder zu sehr in die Breite gehen, sondern sich auf seine Kernkompetenzen fokussieren. Hierzu plante man nach eigenem Vorbild die Abspaltung eines Teilbereichs: "Vontier" wird sich auf die Transport- und Mobilitätsmärkte konzentrieren und zunächst aus einem Portfolio führender Marken für Einzelhandels- und gewerbliche Betankung, Flottenmanagement und professionelle Werkzeuge bestehen, darunter Gilbarco Veeder-Root, Matco Tools und Teletrac Navman. Aber aus den Plänen wird erstmal nichts, dank Corona, und Fortive hat den Abspaltungsprozess gestoppt. Er soll später wieder aufgenommen werden und zur gewünschten Spezialisierung beider Teile und zu mehr Shareholder Value bei allen Beteiligten führen.
Während die Nachrichtenlage also noch keine Freude bereitet, konnte sich der Fortive-Aktienkurs seit dem Märztief bei knapp 40 Dollar um mehr als 50 Prozent erholen und notiert bereits wieder bei über 60 Dollar. Allerdings liegt die Notierung damit noch immer deutlich unter den Allzeithochs aus dem Frühjahr 2019, als der Kurs schon die 90 Dollar-Marke ansteuerte. Weiteres Potenzial, wenn alles rund läuft, ist also vorhanden.
Mein Fazit
Sowohl Danaher als auch Fortive haben sich von dem Sell-off Mitte März deutlich erholt. Doch während Danaher die Kursverluste bereits annähernd wieder gutmachen konnte, bietet der Fortive-Kurs nochmals 50 Prozent Aufholungspotenzial bis zum früheren Höchstkurs.Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung beider Unternehmen, ist dieser Unterschied durchaus nachvollziehbar. Doch da die Börse die Zukunft handelt, stellt sich Frage, welche Aktie auf Sicht der nächsten Monate die besseren Entwicklungschancen bietet.
Die sichere Wahl ist und bleibt Danaher mit seinem krisen- und konjunkturrobusten Business, doch Fortive dürfte deutlich stärker von der anstehenden wirtschaftlichen Erholung profitieren. Sollte der Kurs anspringen, würde der Wert schnell teuer aussehen angesichts der noch gedämpften Zahlen, die uns für das zweite Quartal erwarten. Andererseits dürfte die sich abzeichnende Erholung ab dem dritten Quartal einen gestiegenen Aktienkurs schnell fundamental unterfüttern und absichern.
Langfristig bleiben beide Unternehmen aussichtsreich; auf kurze Sicht könnte Fortive die zwar spekulativere, aber auch interessantere Wahl sein. Möglicherweise ist es also Zeit für einen Favoritenwechsel…
Disclaimer
Danaher und Fortive befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot.
Vielen Dank für den Artikel. Fortive hatte ich bisher noch gar nicht auf dem Schirm, will aber ohnehin den Industriesektor in meinem Depot stärken, da ist noch zu wenig drin. Da könnte Fortive gut reinpassen:)
AntwortenLöschenFortive wird am 9.10.20 Fontier als "Pro-rata-Dividende" an seine Aktionäre ausschütten, also als Spin-off. 80,1% der Anteile gehen an die Aktionäre, die restlichen 19,9% werden später veräußert (aus steuerlichen Gründen). Jeder Fortive-Aktionär erhält je Fortive-Aktie 2 Vontier-Aktien; der Kurs von Fortive wird also entsprechend sinken am Freitag (bei Börseneröffnung in den USA, 15:30).
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