Seitdem ist der Aktienkurs von Wells Fargo stark eingebrochen, weil man in einen Skandal verwickelt ist. Dabei geht es um das Provisionssystem und dessen Anreize, das Mitarbeiter genutzt haben, um mehr als 2 Mio. gefälschte gebührenpflichtige Konten im Namen von (unwissenden) Kunden zu eröffnen, woraufhin sie ihre von der Bank gesteckten Ziele erreichten bzw. übererfüllten und fette Prämien einsackten. 5.000 Mitarbeiter haben daraufhin bisher ihren Job verloren. Das eigentliche Problem für Wells Fargo liegt neben der öffentlichen Schmach, der Strafe von 185 Mio., die man aufgebrummt bekam, und dem massiven Image- und Vertrauensverlust darin, dass das einst hoch gelobte Anreizsystem von Wells Fargo wohl nicht (länger) funktioniert. Und dass die Kontrollsysteme der Bank versagt haben und einer Erneuerung bedürfen. Darüber hinaus fürchten manche wohl den "Deutsche Bank-Effekt", dass also nach einem ersten Skandal und dem notwendigen genaueren Hinsehen immer wieder neue, bisher unter Verschluss gehaltene, Skandale und Skandälchen aufpoppen. Nun, Banker haben kein hohes Ansehen mehr, vorsichtig ausgedrückt, und sie haben es spätestens seit der Finanzkrise auch zurecht.
Der Blick richtet sich auf Warren Buffett
Als vor vielen Jahren die US-Investmentbank Salomon Bros. in Schieflage kam, kam ihr Warren Buffett zu Hilfe, weil er vom Management und der Bank überzeugt war. 1991 musste er deshalb vor einem Kongressausschuss aussagen und äußerte sich dahingehend, dass er gnadenlos durchgreifen werde, sollten Mitarbeiter den Ruf ihres Arbeitgebers auf Spiel gesetzt haben. Später sagte er einmal, das sei mit die schwerste Zeit seines Lebens gewesen, weil er starken öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt war und sich die beteiligten Banker als weit weniger ehren- und vertrauensvoll erwiesen, als Buffett gedacht hatte. Und Buffett legt extrem großen Wert auf Seriosität bei den Managern der Unternehmen, in die er investiert.
»Man braucht 20 Jahre, um sich einen guten Ruf aufzubauen, und nur 5 Minuten, um ihn zu verlieren. Wer das beherzigt, handelt bewusster.«
(Warren Buffett)
Als größter Aktionär von Wells Fargo kommt ihn in der aktuellen Phase wieder eine entscheidende Rolle zu und auf die Frage, was er von alledem halte, äußerte sich Buffett zurückhaltend. Er habe ein Telefonat mit dem Vorstandsvorsitzenden von Wells Fargo, John Stumpf, geführt und ihm gesagt, dass das Problem größer sei, als Stumpf annehme. Stumpf habe ihm zugestimmt, das Thema zunächst unterschätzt zu haben. Buffett wird sich darüber hinaus öffentlich aber erst im November äußern, wenn Berkshire Hathaway seinen quartalsweisen Depotbericht offenlegen wird (sog. 13-F-Formular). Das hindert uns natürlich nicht daran, unsere eigenen Überlegungen anzustellen und was Buffett wohl tun wird und vielleicht schon tut.
Wells Fargo Co. (Quelle: finanzen.net) |
Verglichen mit dem Stand vom 30. Juni hat Buffetts Aktienposition mehr als $1,5 Mrd. eingebüßt. Doch das interessiert den Börsenaltmeister nicht, das ist nicht auf seinem Investment-Radar. Er schaut auf ganz andere Dinge.
Klar ist jedenfalls, dass er als größter Aktionär mit einem Anteilsbesitz vom rund 10% nicht einfach seine Aktien auf den Markt werfen kann, dann würde der Aktienkurs ins Bodenlose abstürzen. Der Aktienkurs hat seit Bekanntwerden des Skandals von $51 auf $44 nachgegeben, also fast 15%. Das spricht nicht für massive Verkäufe von Buffett. Im Gegenteil, ich vermute, dass Buffett seinen Bestand an Wells Fargo aufstockt.
Kauft Buffett zu?
Er hat ein Gespräch mit dem CEO geführt und sich dabei wohl der Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit des Managements versichert. Das ist ihm sehr wichtig. Und er wird sich erst in einigen Wochen äußern, wenn ohnehin jeder sieht, was Buffett in Bezug aus Wells Fargo unternommen hat. Das deutet alleine weder auf Zukäufe noch Verkäufe hin, doch Buffett handelt nach klaren Prinzipien und hier dürften eine ganz entscheidende Grundregel seiner Investment-Philosophie greifen.
Warren Buffet wurde einmal gefragt, welche Aktie er wählen würde, könnte er in seinem ganzen Leben nur eine einzige kaufen. Und seine Antwort war: Wells Fargo. Aktien dieser Bank hat er erstmals gekauft, als sie vor langer Zeit bereits einmal durch trübe Wasser schlingerte und er hat seitdem seine Position immer weiter aufgestockt. Und ich denke, er wird dies auch heute tun. Denn eine von Buffets goldenen Investmentregeln lautet: "Große Anlagemöglichkeiten kommen immer dann, wenn hervorragende Unternehmen vorübergehend in schwieriges Fahrwasser geraten und deshalb unterbewertet werden". Für Buffett ist und bleibt Wells Fargo ein hervorragendes Unternehmen, seine Rentabilität sucht ihresgleichen und ihr Verhalten vor, während und nach der Finanzkrise ist vorbildlich, auch wenn sie insbesondere dank der Übernahme von Wachovia auch Negativschlagzeilen produzierte. Was allerdings mit dem negativen Gebahren anderer US-Bankinstitute kaum mithalten kann.
Meine Einschätzung
Ich bin überzeugt davon, dass Buffett Wells Fargo die Treue halten wird. Und dass er aktuell auf der Käuferseite zu finden ist und sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wird. Immerhin sitzt er aktuell auf rund $70 Mrd. an Liquidität, die er investieren kann und will. Dass ihm dieser Skandals die Möglichkeit bietet, seine Lieblingsaktie statt zum 2014er Höchstkurs von $58 zu $44 zu kaufen, also fast 25% niedriger, dürfte sein Herz höher schlagen lassen. Und wir können sicher sein, dass Buffett dafür Sorge tragen wird, dass die Bank den Skandal offensiv aufarbeiten und abstellen wird und dass sie wieder zu der seriösen Bankinstitution wird, als die sie bekannt war. Für Buffett ist Wells Fargo ein hervorragendes Unternehmen, das vorübergehend in schwieriges Fahrwasser geraten ist. Und das ist für ihn immer ein Kaufgrund. Und Anleger sind selten schlecht damit gefahren, wenn sie auf Buffets Rat hörten...
Berkshire Hathway befindet sich auf meiner Empfehlungsliste und ist dort die älteste meiner Empfehlungen. Zu Zeit sehe ich sie als Halteposition, da mir die große Abhängigkeit vom Finanzsektor, vor allem von der Versicherungsbranche, nicht behagt. Hier hat Buffet schon gegengesteuert und einen Teil seiner Versicherungsaktivitäten verkauft; und die letzten Zukäufe fanden allesamt im industriellen Sektor statt und damit wird Berkshire Hathaway (wieder) breiter aufgestellt, was ich sehr befürworte.
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ERGÄNZUNG VOM 13.10.2016
Kurz vor Bekanntgabe der Quartalszahlen ist John Stumpf zurückgetreten, CEO und Chairman von Wells Fargo. Neuer CEO wird der für das operative Geschäft Verantwortliche Tim Sloan.
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ERGÄNZUNG VOM 11.11.2016
Seit heute ist klar, dass Buffett keine einzige Aktie von Wells Fargo verkauft hat, wie er CNBC im Interview verriet.
Hallo Herr Kissig,
AntwortenLöschengehe ich recht mit der Annahme, dass Ihre Argumente zum Verkauf Ihrer WF-Anteile vom 9.5.2016 noch immer bestehen oder rechtfertigt der Kurseinbruch einen Einstieg?
Viele Grüße aus Usedom
Andrej
Moin Andrej,
Löschendie Aktien stehen aktuell rund 10% tiefer, ich könnte also sagen "alles richtig gemacht". In der Zwischenzeit notierten sie allerdings auch schon oberhalb meines Verkaufskurses...
Die Probleme der US-Fracking-Industrie sind nicht ganz so massiv aufgetreten, wie ich es befürchtet habe. Das liegt sicherlich auch an der zwischenzeitlichen Erholung des Öl-Preises - die Banken, gerade im Süden der USA, können also ihre erhöhte Risikovorsorge zur zeit noch aus de laufenden Geschäft stemmen. Eine Belastung wird das aber bleiben, auch viele Menschen sind dort ja aufgrund der Branchenkrise bei den Fracking-Unternehmen arbeitslos geworden und können ihre Kredite nicht mehr bedienen. Hinzu kommt, dass ich grundsätzlich immer skeptischer geworden bin hinsichtlich des Geschäftsmodells klassischer Banken, weil FinTechs und Online-Banking den Filialbanken immer stärker zusetzt. Das gilt auch in den USA und auch für Wells Fargo.
Die Antwort auf Deine Frage ist daher, dass Wells Fargo nach diesem starken Einbruch wohl mit die beste Investment-Chance im Bankensektor ist auf Sicht der nächsten zwei, drei Jahre - sofern man dort überhaupt investieren will.