Brexit - wtf?
Es gab letzte Woche nur ein Thema: den Brexit. Nachdem die Prognosen sich nach dem Mord an der britischen Labour-Abgeordneten Cox immer mehr Richtung Bremain, also einem verbleib Großbritanniens in der EU, verschoben, und auch am Abstimmungstag noch eine knappe Mehrheit signalisierten, gab es nach der Auszählung am Freitagmorgen dann Katerstimmung und Börsenbeben. Ein DAX-Minus von fast 10 Prozent im Tagesverlauf, insbesondere im frühen (vorbörslichen) Handel, ist schon eine Besonderheit. Aber auch die anderen Weltbörsen haben mächtig Federn gelassen, die Märkte wurden vom Ausgang des Votums doch sehr überrascht.
Quelle: CNN Money - Fear and Greed Index |
Aus dem Angst-und-Gier-Index wurde mächtig Luft abgelassen und er notiert inzwischen wieder im neutralen Bereich, nachdem er seit Monaten grüne, optimistische Stimmungssignale lieferte. Und damit zur Vorsicht mahnte.
Die Crashkurse vom Freitag haben allerdings eigentlich nur die zuvor geradezu euphorischen Kursanstiege wieder zunichte gemacht und das zeigt sich auch beim Blick auf den Wochenverlauf. Denn unterm Strich haben sich die Kurse kaum bewegt, was auch an der Wochenübersicht meiner Empfehlungsliste abzulesen ist.
Während viele Markttteilnehmer total auf dem falschen Fuß erwischt wurden, habe ich an den Crashkursen sogar profitiert - jedenfalls in der Betrachtung am Montagmorgen. Ob sich mein Agieren als schlau und gewinnbringend erweist, wird erst die Zukunft zeigen. Nachdem aber die ganz großen Kurseinbrüche in der Vergangenheit ganz überwiegend hervorragende Einstiegszeitpunkte waren, bin ich da ganz optimistisch.
Ich hatte ja die letzten Wochen über schon eine erhöhte Cash-Position aufgebaut, um ggf. günstig zuschlagen zu können. Der kräftige Anstieg der letzten Tage und die knappen Umfrageergebnisse kurz vor der Abstimmung zum Brexit gestern haben mich dann jedoch dazu veranlasst, Mittwochnachmittag zusätzlich DAX-Puts zu kaufen (HSBC T+B PUT17 DAX; WKN TD1MLC), um mein Depot abzusichern und für den Fall eines (ja quasi schon nicht mehr erwarteten Brexits) mit daraus resultierenden Gewinnen zusätzliches Nachkaufpotenzial zu schaffen. Bei der Auswahl habe ich mich darauf konzentriert, dass der Schein einen ordentlichen Hebel haben und nicht total aus dem Geld sein sollte. Ziel war, bei einem Bremain nicht zu viel Geld in den Sand zu setzen und bei einem Brexit einen schnellen, satten Gewinn einzustreichen. Und der Brexit kam, die Puts schossen am Donnerstagmorgen in die Höhe und ich habe sie bei rund 9.200 DAX-Punkten bzw. knapp 9% DAX-Minus glattgestellt mit rund 65% Gewinn. Ich habe dann auch gleich gehandelt und zwar in den aussichtsreichsten und volatilsten Werten, die am stärksten einbrachen.
Ich habe meine Publity-Position in München komplett glattgestellt zu €29, als sie andernorts bereits zu weit unter €28 notierten, und kurze Zeit später zurückgekauft zu knapp über €27. Dann habe ich Aurelius um ein Drittel aufgestockt, als diese zweistellig im Minus standen, zu durchschnittlich unter €47. Und meine Hypoport-Position habe ich ebenfalls um ein Drittel ausgebaut zu €72,50, also auch deutlich zweistellig unter Wasser. Des Weiteren habe ich ein paar M.A.X. Automation eingesammelt zu €5,40, als diese noch rund 10% im Minus notierten; meine eine Kauforder bei Villeroy & Boch zu €11,50 ist leider nicht bedient worden.
Als einzige neue Position habe ich S&T ins Depot genommen.
+ S&T AG
Seit Donnerstag habe ich die S&T AG (ehemals Gericom, später Quanmax) zu €6,70 im Depot, einen österreichischen IT-Dienstleister, der sich in den letzten Jahren aussichtsreich positioniert hat. Die Hardware-Umsätze werden zunehmend zugunsten wiederkehrender und margenstärkerer Software-Umsätze verdrängt und die Ausrichtung auf Osteuropa und die Energiebranche (Stichwort Smart-Metering) bergen noch einiges an Potenzial.
.: Cashquote
Durch die Käufe ist meine Cashquote wieder gesunken und hat sich auf unter 15% reduziert. Dass sie trotz der vielen Käufe nicht stärker gefallen ist, liegt natürlich an dem satten Spekulationsgewinn mit den DAX-Puts. Meine Investments erfolgen ausschließlich nach konsequentem Stock-Picking, denn die Gesamtmarktsituation ist weiterhin eher labil. Das Thema Brexit wird weiterhin die Schlagzeilen bestimmen, aber die konkreten Auswirkungen werden kaum kurzfristig spürbar werden, denn ein Austritt aus der EU wird erst nach langen Verhandlungen und mindestens zwei Jahren Geschacher erfolgen. Da das Referendum keine eigene Rechtswirkung hat(te), sondern lediglich eine Volksbefragung darstellte, und die Brexit-Befürworter inzwischen reihenweise eingestehen mussten, dass ihre Kernaussagen nicht zu halten sind, kann es durchaus sein, dass das britische Parlament einem EU-Austritt gar nicht zustimmen wird. Und nur der würde die britische Regierung ermächtigen, den Austritt bei der EU einzuleiten. Hier verbleibt für die nächste zeit die Unsicherheit - der große Knall ist aber vorüber und der Pulverdampf verzieht sich. Und alle erkennen, dass es mehr Krach und Qualm war, als wirkliche Zerstörungswirkung. Jedenfalls was die EU angeht. Großbritannien kann durchaus auf der Kippe stehen, weil Nordiren und Schotten sich mit großer Mehrheit für einen Verbleib in der EU ausgesprochen haben und somit deren Unabhängigkeitsbestrebungen wieder Auftrieb erhalten könnten.
Die Unternehmen werden sich auf die Auswirkungen eines Brexits vorbereiten; als Anleger sollte man Unternehmen meiden, die besonders unter dem Brexit leiden würden - oder aber gerade diese einsammeln, sollten die Kurse jetzt überproportional verdroschen werden. Ansonsten dürfte die Börse bald zum "business as usal" übergehen. Und da uns der Sommer mit dem anschließenden tendenziell eher schwankungsanfälligen Herbst bevorsteht, werde ich meine Cash-Quote eher hoch halten. Es dürfte - vereinzelt - noch weitere Schnäppchenkurse geben in den nächsten Wochen...
Hallo Michael,
AntwortenLöschenich bin ja normalerweise ein eher stiller Mitleser, zu Deinen letzten Transaktionen im Zusammenhang mit publity habe ich dann doch einmal eine Frage:
Du hast die Anteile zunächst veräußert und dann zu einem niedrigeren Kurs zurückgekauft. Durch die Veräußerung müsstest Du steuerlich einen Veräußerungsverlust erzielt haben. Der müsste im Regelfall bei einer GmbH steuerlich unbeachtlich sein (§ 8b Abs. 2 KStG), es sei denn die steuerliche Sonderegel bei Finanzdienstleistungsunternehmen greift (§ 8b Abs. 7 KStG), dann wäre die Situation wohl vergleichbar mit der eines Einzelanlegers. Ich möchte jetzt keine Diskussion über steuerliche Vorschriften führen, frage mich jedoch, was die Gründe dafür sind, dass Du Deine Anteile in einer GmbH hältst. Vielleicht könntest Du einmal kurz erläutern (ggf. in einem separatem Blogbeitrag), was die Gründe dafür waren, dass Du diese Konstruktion gewählt hast (wenn es denn nicht zu sehr ins Detail geht natürlich). Danke im Voraus.
Gruß
Ulf
Moin Ulf,
Löschendas ist meine persönliche Lösung aus meiner Lebenssituation heraus, das möchte ich nicht großartig zum Thema hier machen, weil es kaum für den Durchschnittsanleger eine geeignete Lösung sein dürfte. Es ist kein Steuersparmodell! Einen separaten Blogeintrag hierzu werde ich daher nicht verfassen. Ich habe in der Vergangenheit hier im Blog schon mal dazu kurz Stellung genommen und verlinke mal meine Kommentare, die ich auf die Schnelle noch gefunden habe.
5. August 2015
9. Mai 2016
Hinter den verlinkten Kommentaren kommen evtl. noch weitere Diskussionsbeiträge zum Thema.
Vielen Dank für die Hinweise, das hatte ich so bislang nicht gelesen.
LöschenGruß
Ulf
Hallo Michael,
AntwortenLöschenein Unternehmen das besonders leidet ist die Royal Bank of Scotland nachdem sich der Kurs seit Freitag nahezu halbiert hat. Ist dieser Titel evtl. auf Deiner Watchlist? Mir erscheint der Kursverlust hier doch sehr überzogen zumal er seit 2015 auch schon ziemlich unter die Räder gekommen ist.
Viele Grüße,
Max
Moin Max,
Löschennein, ich habe aktuelle keine Banken im Depot und auch nur mit halbem Auge auf der Watchlist. Das Niedrigzinsumfeld ist aus meiner Sicht zu herausfordernd und die Fintechs graben ihnen immer mehr das Wasser ab. Ich hatte das beim Verkauf der Aareal Bank in meinem Investor-Update vom 18. März ausführlicher erläutert. Ein Kurseinbruch von 50% klingt aber danach, dass man hier mal genauer hinschauen könnte, ob sich nicht ein besonderes Schnäppchen findet...
Ich muss ja echt zugeben, bei Publity bin ich unsicher. Ich habe im März nach den starken Rücksetzer zugeschlagen und bereits mitte Juni noch einmal nachgekauft. Seit dem ist der Wert weitere 10% gefallen. Einerseits eigentlich eine Chance noch mal günstig an weitere Stücke zu kommen. Andererseits hat die Position schon eine gewisse Größe erreicht. Ich bin mir einfach nicht ganz sicher ob ich das risikieren soll.
AntwortenLöschenIch schätzte Publity nicht unbedingt als "tot sichere Sache" ein. Allerdings wenn die Dividende auf den Niveau bleibt wäre der Preis natürlich super attraktiv. Das wär absolut ein Kandiat für meine maximale Positionsgröße. ;-)
Bei Publity ist der Kurs seit der Hauptversammlung stark gefallen. Das ist ärgerlich und aus meiner Sicht aus den bisherigen Meldungen und der operativen Entwicklung des Unternehmens nicht zu begründen. Gerade gestern gab es den Kauf des Karstadt-Service-Centers in Essen mit einer Mietvertragsverlängerung und einer Mietrestlaufzeit von 12 Jahren. Das Unternehmen selbst führt den Kursverfall auf den "liquiditätsgetriebenen Ausstieg eines größeren langjährigen Investors" zurück.
LöschenDie Aktie ist sehr volatil mit bisweilen Tagesschwankungen von 10% und ich habe sie seit meinem Ersteinstieg des Öfteren zum aktiven Handeln genutzt. Daher habe ich trotz des insgesamt stetigen Kursabschwungs unter dem Strich bisher kein Geld mit der Publity-Aktie verloren. Den teilweisen hohen Kursverlusten durch die Teilverkäufe zu niedrigeren Kursen standen immer mal wieder Zwischengewinne gegenüber (und die Dividende von brutto €2) und da mir klar war, dass am letzten Freitag besonders die martbreiteren ohnehin volatilen Werte leiden würden, habe ich die ganze Position frühzeitig zu besten Kursen (in München) glattgestellt, um sie später tiefer zurückzukaufen. Die Stückzahl ist noch immer die gleiche, aber die Positionsgröße hat sich somit im absoluten Wert natürlich verringert, so dass sie nicht mehr unter meinen drei Größten Positionen ist. Sobald sich der Kurs wieder erholt, dürfte sich das aber wieder ändern.
Ich bin weiterhin von dem Unternehmen überzeugt. Aber ich würde momentan meine Position auch nicht mehr vergrößern, weil nicht abzusehen ist, wann der Verkaufsdruck nachlässt. Und solange bieten andere Aktien aktuell mehr Chancen in diesem verrückt-volatilen Markt. Publity ist für mich mindestens eine mittelfristige Buy & Hold-Position, die ich aber aufgrund der hohen Schwankungsbreite auch künftig aktiv managen werde.
Sorry aber hier wird praktisch jeder Kauf gepostet, der Put auf den Dax aber seltsamerweise nicht bzw. erst im Nachhinein wo er geklappt haben soll und dann auch noch bei 9200 Punkten zum quasi absoluten Tiefpunkt verkauft. Gleiches bei Publity für 29€ verkauft für 27€ zurückgekauft und sowas in der Art war bereits öfter zu lesen. Den umgekehrten Fall (für 29€ verkauft aber dann nicht mehr zum Zug gekommen da Aktie gestiegen) konnte ich noch nie lesen. Höchstens mal ein Verkauf einer Aktien die im Minus war zu lesen (auch sehr sehr selten). Sorry aber das kommt mir mehr so vor als ob hier hellseherische Fähigkeiten am Werke wären. Der Grund könnte auch sein möglichst keine Aktien nachher auf der Empfehlungsliste zu haben die im Minus stehen. Nur wozu? Glauben kann dies ohnehin keiner der Ahnung von Aktien hat.
AntwortenLöschenWer mir nicht glauben will, muss sich hier ja nicht tummeln, sondern kann vielleicht sein eigenes Blog aufmachen und alles besser? Oder eine Wikifolio mit eigenen Transaktionen eröffnen und alles transparent kommentieren? Ich schreibe dieses Blog für mich. Über Value Investing, über Unternehmen, die hier ins Schema passen. Hellseherische Fähigkeiten habe ich nicht, ich schreibe - weil es öfter nachgefragt wurde - auch ab und zu über mein Depot und über Transaktionen dort, jedenfalls wenn es Aktien betrifft, die ich auch hier im Blog bespreche.
LöschenDie Transaktionen am Tag nach dem Brexit sind so gelaufen, wie ich es hier beschrieben habe. Den Put hatte ich gekauft, weil er eine herausragende Chance_Risiko-Option bot, denn die Umfragen waren sehr knapp und die Börsen hatten einen Verbleib in der EU eingepreist. Wäre es so gekommen ,wären die Börsen eher moderat gestiegen und ich hätte mit dem Put einige Verluste eingefahren (und ihn schnellsten glattgestellt). Bei einem Brexit hingegen war mit sehr heftigen Kurseinbrüchen zu rechnen, deshalb hatte ich den Put ja zusätzlich gekauft, um dann am Morgen mit Extra-Cash noch mehr Aktien günstig einsammeln zu können. Dass dies so geklappt hat, freut mich. Ist aber nicht der Regelfall, dass meine (kurzfristigen) Überlegungen aufgehen. Den Put hatte ich bei einem DAX-Minus von mehr als 9% "bestens" zum Verkauf gestellt, weil der Kursmakler in Frankfurt keine Kurse gestellt hat. Ich habe daher kaum den Tiefpunkt erwischt, sonst wäre mein Gewinn deutlich höher ausgefallen. Andererseits wollte ich ja nicht den Spekulationsgewinn als solchen realisieren, sondern mit diesem Aktien kaufen. Es war mir also von vornherein klar, das ich den Put am frühen Morgen glattstellen würde, so oder so.
Publity war eine recht "sichere" Sache, da der Kurs in Frankfurt und Traderfox bei €27 oder so stand, während in München noch für €29 Eine Order lag. Daher habe ich in München verkauft und die Aktien kurze Zeit später dann zu knapp über €27 woanders wieder zurückgekauft. Bei Villeroy & Boch hat das mit meiner Order hingegen leider nicht geklappt...
Natürlich gefällt es mir mehr, wenn ich keine großen Verlustbringer auf meiner Empfehlungsliste habe. Aber das ist kein Grund, Unternehmen von der Liste zu streichen. Ich nehme sie runter, wenn die Gründe, die zu meiner Empfehlung geführt haben, nicht mehr vorliegen oder sich die Zukunftsaussichten stark eingetrübt haben. Nicht wegen einer Kursschwäche. Sonst wäre die Deutsche Rohstoff kaum so lange auf der Liste. Und als einer der ersten Werte habe ich damals die Dresdner Factoring von der Liste genommen, die mit 200% Kursplus mein bester Wert war. Aber dank Übernahme und Squeeze-out sah ich da kein Potenzial mehr bzw. in anderen Werten, wie z.B. Aurelius, wesentlich mehr.
Der Kurs Villeroy & Boch hat sich im letzen Halbjahr gut entwickelt. Ist es zu spät einzusteigen?
AntwortenLöschenDer Kurs ist lange Zeit zwischen 11 und 15 Euro hin- und hergeschwankt und Anfang diesen Jahres endlich nach oben ausgebrochen. Ich denke, er hat über die Zeit einiges an operativen Fortschritten ausgeblendet und dies nun nachgeholt. V&B ist eine solide Anlage und hat mittel- und langfristig weiteres Potenzial. Die zu erwartenden Gewinne aus dem Grundstücksverkauf in Luxemburg unterstützen hier zusätzlich. Im letzten Nebenwerte Journal war V&B übrigens die Titelstory (hier lesen). Sehr lesenswert und deckt sich weitgehend mit meinen Einschätzungen.
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