Die Aktien von Rückversicherern wie Munich RE, Hannover Rück oder Swiss Re sind seit Jahren eine sichere Bank, ihre Bewertung ist moderat, die KGVs zumeist einstellig, und die Dividendenrenditen zählen zu den höchsten in den großen Indizes. Nachvollziehbar, dass sich die Kurse nahe ihren Höchstständen bewegen. Und Value-Ikone Warren Buffett schwört auf Rückversicherungen, seine Investmentholding Berkshire Hathaway ist ja Mutter von General RE und hält Anteile an der Konkurrenz: seit 2010 alleine 11 Prozent am weltgrößten Rückversicherer Munich Re, aber auch an Swiss Re im mittleren einstelligen Prozentbereich. Da kann ja nichts schief gehen...
Doch seit geraumer Zeit ist das Geschäft der Rückversicherer unter enormen Druck geraten und das hat mit den immer tiefer fallenden Zinsen zu tun. Denn auf der einen Seite bricht den Rückversicherern die Rendite weg, die sie mit den durch ihre Prämien aufgelaufenen Geldern am Anlagenmarkt erzielen können und auf der anderen Seite sehen sie sich einer immer stärker zunehmenden Konkurrenz ausgesetzt. Und zwar nicht aus ihrer Branche, sondern Branchenfremde haben die Rückversicherung als vermeintlich lukrative Anlagezone für sich entdeckt. Die niedrigen Zinsen und das billige Geld der Notenbanken scheuchen immer mehr Kapital auf, das auf dem ganzen Globus verzweifelt nach Rendite sucht. Für die Versicherungsassekuranzen, die sich bei den Rückversicherern ja absichern, bieten sich hier Chancen. Sie bieten immer öfter ihre Erstversicherer-Risiken als verbriefte Versicherungsrisiken (Insurance Linked Securities, kurz: ILS) direkt am Kapitalmarkt an und Investoren greifen dankend zu. Typisches Beispiel sind sog. Katastrophen-Anleihen, die in der Regel von institutionellen Anlegern gezeichnet werden und hohe Renditen versprechen. Doch diese Investoren schauen vor allem auf die vermeintliche Rendite, sie können viel schlechter als die Profis der Rückversicherungen die damit einhergehenden Risiken einschätzen - denn letztlich müssen sie im Schadensfall enorme Beträge zur Verfügung stellen, also bei Tsunamis, Hurricanes, Erdbeben, Flugzeugabstürzen, Kraftwerksunfällen. Und hier lassen die klassischen Rückversicherer immer häufiger Geschäft liegen, weil für sie die zu erzielenden Prämien nicht mehr risikoadäquat sind. Das ist durchaus vernünftig, denn noch vor zehn Jahren war man in der Branche bereit, auch Risiken zu übernehmen, von denen man annahm, dass sie sich nicht rechnen würden. Nur um Marktanteile zu gewinnen oder auch nur zu halten. Die großen Wirbelsturmkatastrophen in den USA (New Orleans, New York) haben die Unternehmen eines Besseren belehrt.
Und doch bringt diese - richtige - Strategie für die Rückversicherer einige Probleme mit sich. Sie verzichten auf Geschäft, auf Prämieneinnahmen, und damit schrumpft ihr Ertragspotenzial. Gleichzeitig verdienen sie selbst mit ihren Kapitalanlagen immer weniger und so erodieren die eigenen Gewinne. Und das bereits seit einigen Jahren und die Lage verschärft sich eher, als dass ein Ende abzusehen wäre. Das führt dazu, dass die scheinbar attraktiven Bewertungen anhand der Kurs-Gewinn-Verhältnisse mit zunehmender Skepsis zu betrachten sind. Das birgt mithin Kursrisiken für alle Branchenvertreter. Und weiteres Ungemach droht, denn die Rückversicherer gelten als Dividendenaristokraten, die seit Jahren mindestens gleichbleibende, meistens aber sogar steigende Dividenden an ihre Anteilseigner ausschütten. Das ist ein echter Vorteil und für viele Anleger sind diese hohen Dividendenrenditen das Anlagekriterium in diesen Aktien schlechthin. Und doch liegt auch gerade hier enormes Gefahrenpotenzial, denn wenn den Unternehmen das Geschäft und die Margen wegbrechen, sie gleichzeitig weniger Geld aus ihren Kapitalanlagen verdienen, dann sinken die Gewinne, die die Grundlage für die Dividendenzahlungen sind. Natürlich werden die Rückversicherer versuchen, die Dividenden mindestens auf gleicher Höhe zu halten, aber diese Zahlungen werden dann aus der Substanz ausgekehrt, also die Rücklagen des Unternehmens angreifen und es so letztlich schädigen. Ein solches Vorgehen kann für ein oder zwei Jahre angebracht sein, um die Dividenden auf einem konstanten Niveau zu halten, obwohl das operative Geschäft stärkeren Schwankungen unterliegt, aber die schwierige Lage der Rückversicherungen ist nicht kurzfristiger Natur, sondern wächst sich seit einigen Jahren zu einem Dauerproblem aus, das das Geschäftsmodell ins Wanken bringt. Denn passen die Unternehmen ihrer Strategie an, nehmen sie höhere Risiken ins Depot mit (viel) zu geringem Prämienaufkommen. Oder sie lehnen dies ab und sehen ihre Umsätze zunehmend schrumpfen und damit auch ihre Gewinne.
Ich kann nicht abschätzen, wie und ob überhaupt die Rückversicherer aus diesem Teufelskreis herauskommen, solange sich das Zinsniveau nicht deutlich erhöht und Anleihen wieder konkurrenzfähige Renditen abwerfen. Ich fürchte allerdings, dass sie das viel Geld kosten wird, so oder so. Und für Aktionäre sind das keine guten Aussichten, nicht auf mittlere und lange Sicht. Ich würde daher die Rückversicherer nicht mehr als Value Investment ansehen, sondern als Branche, die das Zeug zu einer echten Value Trap hat. Von Investments in Rückversicherer würde ich daher absehen; einzig Warren Buffetts Berkshire Hathaway bietet weiterhin gute Chancen, weil das Unternehmen eben weit mehr ist als die Versicherungssparte und so breit diversifiziert ist auch in die Bereiche Energie und Consumer Goods.
Berkshire Hathaway befindet sich auf meiner Empfehlungsliste.
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Warren Buffett gab sich die Ehre auf der 50. Hauptversammlung seiner Investmentholding Berkshire Hathaway und dort meinte er zur Rückversicherungsbranche: "In diesem Geschäft haben sich die Aussichten eingetrübt, und wir können nichts dagegen tun". Der Branche werde es in den nächsten 10 Jahren nicht so gut gehen wie in den letzten 30 Jahren.
AntwortenLöschenTja, im Gegensatz zu Buffett können Privatanleger relativ leicht die Konsequenzen ziehen, also die Reißleine. Munich Re, Hannover Rück, Swiss Re sind klare Verkaufskandidaten.